Neue Bek. über die Geschäftsaufsicht v. 14. Dezember 1916. 921
da auf diese Weise Widerstände gegen den Vergleich ausgeschaltet werden. Aus diesen
Erfahrungen des praktischen Lebens heraus ist befürwortet worden, eine vorzugsweise
Befriedigung einzelner Gläubiger unter gewissen Doraussetzungen auch dann zu er-
Mmöglichen, wenn die Einwilligung der sämtlichen zurückgesetzten Gläubiger nicht zu
erzielen ist. Der Entwurf eröffnet die gedachte Möglichkeit. Mit Rücksicht auf die er-
hebliche Gefahr, daß sie zu unlauteren Machenschaften mißbraucht wird, kann selbst-
verständlich eine Bevorzugung einzelner Gläubiger nur zugelassen werden, wenn im
einzelnen Falle genügende Gewähr dafür beste#t, daß die mit der Bevorzugung er-
strehten Swecke einwandfrei sind. Der Entwurf erfordert deshalb nicht nur innerhalb
der Gruppe der zurückgesetzten Gläubiger nach Zahl und Forderungssumme dieselbe
Mehrheit wie zum Abschluß des Vergleichs, sondern macht die ungleiche Zestimmung
der Rechte vor allem auch davon abhängig, daß sie von dem Gerichte besonders zuge-
lassen wird. Nach # 16 des Entwurfs ist das Gericht in der Lage, vor der Entscheidung
über die Snlassung die erforderlichen Ermittlungen anzustellen, insbesondere die zurück-
gesetzten Gläubiger, die der Zevorzugung widersprochen haben, über ihre Gründe zu
hören.
Zu §8 35. Die Dorschrift beschränkt den zulässigen Dergleichsinhalt auf Erlaß und
Stundung, allein oder in Derbindung miteinander. Den praktischen Bedürfnissen wird
damit genügt. Durch Erlaß und Stundung entstehen klare Verhältnisse, mit denen
sich die Beteiligten abfinden müssen und können. Andere Rechtsformen, wie 3. B. die
Liqnidation des Schuldnervermögens durch die Gläubiger oder durch CTreuhänder,
Gründung einer Gläubigergesellschaft zwecks Fortführung des Geschäfts des Schuldners,
mögen zwar unter Umständen in einem einzelnen, besonders liegenden Falle zweck-
mäßig sein, muten aber den Gläubigern meist einen Eintritt in schwer übersehbare und
mit der Übernahme von Lasten verbundene Rechtsverhältmisse zu. Aus diesem Grunde
können sie nicht wohl Gegenstand eines auf Mehrheitsbeschlüsse abgestellten Derfahrens
sein. Ein solcher Vergleich darf nicht aufgezwungen werden; er setzt Einstimmigkeit
voraus.
In der Natur der Sache liegt es, daß der Vergleich die zu seiner Durchführung
erforderlichen Zestimmungen enthalten darf. Wie diese Durchführung erfolgen soll,
hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Der Entwurf nimmt als Regel an,
daß der Schuldner nach Bestätigung des Dergleichs einer Zeaufsichtigung nicht weiter
untersteht. Der Pergleich kann aber ein anderes bestimmen. So mag z. B. bedungen
werden, daß der Schuldner sein Dermögen Trenhändern ausantworten soll, damit
sie es verwerten und zur Erfüllung der im Dergleichsweg gekürzten Ansprüche ver-
wenden.
Einer Sondervorschrift bedarf es für eingetragene Genossenschaften. Mach § 1#6
des Gesetzes, betreffend die Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaften, findet bei ihnen
im Falle des Konkurses eine Anfhebung des Konkursverfahrens durch Swangsvergleich
nicht statt. Die für dieses Derbot maßgebenden Erwägungen, die auf Grundsätzen der
genossenschaftlichen Haftung beruhen (zu vgl. Begr. zu dem Entw. eines Gesetzes, betr.
die Erwerbs= und Wirtschaftsgenossenschaften, Drucks. des RW. 7. Leg.-Her. 1V. Session
1888/89 Nr. 28 S. 125), nötigen dazu, an dem Derbot auch für das Dergleichsverfalh#ren.
festzuhalten, soweit der Wert der Haftpflicht der Genossen durch die Fulassung eines
Iwangsvergleichs herabgesetzt werden würde. Ausgeschlossen muß deshalb ein Der-
gleich bleiben, der den Gläubigern einen Erlaß ihrer Forderungen zumutet. Dagegen
ist es zur Derhütung wirtschaftlicher Erschütterungen dringend geboten und mit den
Grundsätzen der Haftung der Genossen vereinbar, bei Genossenschaften einen außer-
konkurslichen JSwangsvergleich zuzulassen, der lediglich auf — verzinsliche oder zins-
lose — Stundung geht, im übrigen aber die Haftpflicht der Genossen unverändert weiter-
bestehen läßt. Der Möglichkeit, daß einzelne Genossen während der Dauer der Stun-
dung ausscheiden und sich so zum Nachteil der Gläubiger von der Haftpflicht befreien,
wird durch & 76 des Entwurfs begegnet.