Überführung der Kriegs- in die Friedenswirtscheft (Reichstagsberich). 531
beschädigte, Frauen, Jugendliche, Kriegsgefangene, Zivilgefangene und endlich durch
Hilsdienstpflichtige. Die Rückentwicklung dieser umfangreichen Betriebsumstellungen
wird sich nun aller Voraussicht nach so vollziehen, daß sich der größte Teil der heutigen
Küstungsindustrie seiner alten Friedensproduktion wieder zuwenden wird, daß die ein-
geschränkte Industrie bestrebt sein wird, möglichst bald ihre alte Produktion zu erreichen,
und daß die stillgelegten Betriebe ihre frühere Täligkeit wieder aufnehmen werden. Dabei
sst vorauszusehen, daß nach der langen Entbehrung gerade nach den Fabrikaten dieser
Industrie eine besonders starke Nachfragc sein wird.
Darüber hinaus sind aber auch noch neue Industrien entstanden, besonders auf
chemischem Gebiet, die unvermindert an Produktion und Arbeitskräften in die Friedens-
wirtschaft übergehen werden, zum Teil sogar sofort erheblich vermehrte Tätigkeit ent-
folten müssen (z. B. Farbstoffe, künstliche Düngemittel). Wenn also auch die Rüstungs-
industrie einen großen Teil Arbeiter freibekommen wird, so werden dafür die bisher ein-
geschränkten, stillgelegten und neuenitstandenen Betriebe ein starkes Mehr von Arbeitern
beanspruchen.
Bei der Landwirtschaft ist von vorn herein und ohne weiteres mit einem sehr starken
Arbeitermangel zu rechnen. Für die Heeresverwaltung kommt es bei der Demobilmachung
darauf an, ihrerseils alles zu unternehmen, um der Landwirtschaft möglichst viele Kräfte
zuzuführen.
Bei dem gewerblichen Mittelstand und den freien Berufen liegen die wirtschaft-
lichen Berhältnisse nach dem Kriege besonders schwierig. Hier gebietet die Sorge, diese
Existenzen so bald wie möglich wieder lebenskräftig zu machen, die sofortige Entlassung
in ihre Geschäfte und Berufe.
Während sich so die Arbeitserzeugung und Arbeitsvermittlung im Laufe des Krieges
verschoben haben, hat sich auch der Charalter der Arbeiter selbst nicht unwesentlich ver-
ändert. Nach der physischen Seite hin wird ein recht unbeträchtlicher Teil der aus dem Felde
Zurückkehrenden nicht mehr in der Lage sein, die alte Arbeit im vollen Umsang wieder
aufzunehmen, und nach der psychischen Seite hin wird ein großer Teil in seinem Selbst-
bewußlsein so gehoben sein, daß er nur mehr in eine gegen seine ehemalige Friedens-
arbeit höher bewertete Stellung einzutreten gewillt ist. Schließlich wird auch ein gewisser
Teil zunächst wenigstens zur Arbeit ganz unlustig geworden sein. Alles in allem also dürfte
bei Friedensschluß nicht so sehr mit einem Arbeitsmangel zu rechnen sein, als vielmehr
mit der Schwierigkeit, die zurückkehrenden Kräfte schnell und reibungslos an die richtigen
Stellen zu leiten, so daß ihrem eigenen Wunsche entsprochen wird, aber auch die Wirt-
schaft als solche nicht leidet. Würde deshalb eine ungeregelte Entlassung der Heerespflich-
tigen eintreten, so müßte trotz der an sich wohl genügend vorhandenen offenen Stellen
doch mit einer starlen Stockung des Wirtschaftslebens durch Zusammenballen der Arbeit-
suchenden an gewissen Orten und in gewissen Industrien zu rechnen sein. Um dieser Ge-
fahr zu begegnen, muß
1, die Demobilmachung organisch vor sich gehen, d. h. es müssen zuerst sofort ohne
jede Einschränkung alle die Persönlichkeiten entlassen werden, die organisatorisch
oder in leitenden Stellungen den Wiederaufban des Wirtschaftslebens über-
nehmen müssen,
2. muß die Entlassung in bestimmter Reihenfolge vor sich gehen, wie sie im De-
mobilmachungsplan niedergelegt ist;
3. mufß die organisierte Arbeitsvermittlung in denkbar bester Vollendung den Kriegs-
amtsstellen zur Verfügung stehen.
Diese Bestimmungen sind flüssige und bedürsen je nach der Jahreszeit, in der die
Demobilmachung ausgesprochen wird, und je nach der Regelung der Rohstoff= und Kredit-
frage der Abänderung in jedem Falle.
Die Ausführung dieser Gedanken wird sich etwa so vollziehen: Die Träger der
personellen wirtschaftlichen Demobilmachung sind die Kriegsamtsstellen (und Kriegs-
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