Full text: Sagenbuch des Erzgebirges.

  
an. 4½7 
Hirt in einen tiefen Schlaf. Als er erwachte, schimmerte ihm eine 
so feuerrote Lilie entgegen, wie er noch keine auf allen seinen Wan- 
derungen- über Berg und Thal gesehen hatte. Alsogleich eilte er da- 
rauf zu) pflückte sie und steckte sie auf seinen Hut. 
Und wie wunderbar! Kaum berührte er sein Haupt, so ward 
es plötzlich auf demselben lebendig. Voll Bestürzung nahm der Junge 
den Hut ab; er sah eine Otter darauf liegen und warf den Hut eiligst 
zu Boden, wo statt des zischenden Tieres ein goldener Schlüssel nie- 
derfiel, der aber in dem Augenblicke verschwand, als er ihn aufheben 
wollte. — Es soll dies der Schlüssel zum Schatze in dem verzauberten 
Grauensteiner Schlosse gewesen sein, den bis auf den heutigen Tag 
noch niemand in Besitz genommen hat. Der Glückliche, dem er be- 
stimmt ist, soll demnach noch kommen. 
346. Die Wunderblume bei Blauenthal. 
(Mitteilung des Lehrers E. Schlegel aus Zschorlau.) 
Bei dem Orte Unter-Blauenthal findet sich eine jetzt durch Ge- 
sträuch fast völlig verwachsene Felsenschlucht und in dieser soll man 
einst ein eisernes Thor, welches eine Höhle verschloß, gesehen haben. 
Vor langer Zeit mähte in der Nähe dieser Höhle ein Einwohner des 
genannten Ortes Gras, und als er sich in der Mittagstunde unter 
einen schattigen Baum setzte, um seine Sense zu dengeln, stand auf 
einmal ein schwarzer Ritter vor ihm und zu seinen Füßen sah er aus 
dem kahlen Erdboden eine gelbe Blume hervorsprießen. Der Ritter 
aber sprach zu ihm, er solle diese Blume abpflücken, sie sei der 
Schlüssel zu der eisernen Pforte; damit solle er dieselbe öffnen und 
sich aus der Höhle so viel von den Schätzen mitnehmen, als ihm be- 
hage; „jedoch“, so setzte er hinzu, „laß mir die Blume nicht liegen, 
sonst bist Du verloren.“ Der Mann that, wie ihm der Ritter gehei- 
ßen hatte. Die Höhle, in welche er gelangte, war an den Wänden 
mit funkelnden Edelsteinen besetzt und auf dem Boden standen viel 
Kisten, aus denen ihm Gold und Silber entgegen glänzte. Plötzlich 
erweiterte sich der Raum zu einem großen Saale und an einer mit 
kostbaren Speisen und Getränken besetzten Tafel sah er den Ritter mit 
Gefolge wieder; die Speisenden wurden von Zwergen bedient. Da 
winkte der Ritter dem Manne, derselbe solle sich mit an die mit 
einem Trauerflor behangene Tafel setzen. Angstlich setzte sich der Ar- 
beiter nieder, aber bald bekam er wieder Mut. Nachdem er gegessen 
– getrunken hatte, steckte er sich auf Geheiß des schwarzen Ritters 
  
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