Überführung der Kriegs= in die Friedenswirtschaft (Reichstagsbericht). 655
Wenn wir diese Beschränkung uns auferlegen, müssen wir dafür einen Ersatz in
anderer Weise schaffen, und dieser wird darin bestehen, daß wir einen großen Beirat
bilden, in dem alle die einzelnen an der von dem Reichskommissar zu bearbeitenden
Übergangswirtschaft interessierten Berufszweige vertreten sein werden. Dieser große
Beirat wird allerdings unter dem Mangel leiden, von dem ich eben sprach. Er wird
ein Parlament sein, eine Körperschaft, die für eine eigentliche Aklionsfähigkeit nicht ge-
eignet ist. Wir wollen aber Einrichtungen treffen, die auch diesen Unterbau aftions-
fähig machen sollen. Wir wollen den Beirat gliedern in eine große Anzahl von Unter-
ausschüssen nach den einzelnen Warengruppen; dazu kommen Spezialabteilungen
für Valuta= und Finanzierungsfragen und für Transportwesen. Diese Unterausschüsse
werden also den praktischen Problemen am nächsten stehen; sie werden ihrerseits ar-
beiten müssen mit besonderen Organen, die sie entweder in Gestalt der Kriegsgesell-
schaften aus der Kriegswirtschaft herübernehmen können oder sich neu bilden müssen.
Organc, die etwa so aussehen, wie die heutigen Kriegsgesellschaften, die unter Mit-
wirkung der Staatsgewalt Einkauf und Verteilung bei sich zentralisieren, werden wir
brauchen. Denn ich sagte vorhin schon, den Rückweg in die Friedensverhältuisse werden
wir ohnc gewisse staatliche Führung, ohne einen gewissen Zwang unter keinen Umstän-
den finden können. Wenn wir sofort nach Friedensschluß die Schleusen aufmachen
und die volle freie Initiative wieder walten lassen, wird natürlich bei jedem einzelnen
Gewerbe und jedem einzelnen Unternehmen, das Bedarf an Rohstoffen hat, der Drang
nach diesen Rohstoffen so gewaltig sein, daß wir dabel Schiffbruch leiden.
Wir haben von vornherein mit zwei wesentlichen Beschränkungen in der Be-
friedigung dieses Dranges zu rechnen: erstens mit der Knappheit der Transpork-
mittel, namentlich des Schiffsraumes, und zweitens mit der Knappheit der aus-
ländischen Valuta — Schwierigleiten, die sich ohne weiteres aus meinen Ausfüh-
rungen ergeben. Wenn wir es also den einzelnen Unternehmungen überlassen, sich
auf die verfügbare Valuta und den verfügbaren Schiffsraum zu stürzen, wohin kommen
wir dann? Wir kommen dahin, daß erstens die Valuta, die wir so bald als möglich auf
ein normales Niveau bringen müssen, nach unten geworfen wird, und daß für den
deutschen und ausländischen Frachtraum so hohe Preisc gezahlt werden, daß nur die
stärksten und kräftigsten Unternehmungen den Bedarf an Rohsloffen befriedigen können,
während die anderen zur Seite stehen müssen. Das sind Verhälktnisse, die wir nicht
entstehen lassen dürfen, und dem läßt sich vorläufig nur vorbeugen, durch ein System,
das sich dem System unserer Kriegswirtschaft annähert. Aber der allmähliche Abbau
dieses Sysiems wird notwendig sein und wird von Ansang an vorgesehen werden
müssen.
In den Unterausschüssen wird nun das Bedürfnis der einzelnen Industrien ge-
prüft, sestgestellt und geklärt werden; es wird die praltische Möglichkeit, dem Bedarf
zu genügen, geprüft werden, und die mit den Unterausschüssen in Verbindung stehen-
den Gesellschaften werden die Beschaffung der benötigten Rohstoffe usw. in die Wege
zu leiten haben. Natürlich nicht nach dem freien und unabhängigen Ermessen dieser
Unterausschüsse und Gesellschaften, sondern die Unterausschüsse werden das Ergebnis
ihrer Feststellung nach oben weltergeben, und seitens des Reichskommissars und seiner
Mitarbeiter wird die Abwägung und Ausgleichung der einzelnen Interessen stattfinden
müssen. Dieser Ausgleich ist notwendig, wenn wir um alle Klippen der Üübergangs-
wirtschaft herumkommen wollen, und in diesem Ausgleich liegen die schwierigsten Pro-
bleme. Ich bin überzeugt, daß der Reichskommtssar und die Instanzen, die mit diesen
Dingen zu tun haben, es nicht allen werden recht machen können. Es wird von jedem
verlangt werden müssen, daß er einige Pflöcke zurücksteckt und sich in seinen Ansprüchen
beschränkt. Wenn diese Einteillung noch so gerecht, billig und vernünftig gemacht wird,
so wird doch eine Reihe von verletzten Interessen übrig blelben, und eine Reihe von
Beschwerden werden uns und Ihnen auch, wenn Sie bel diesen Dingen mitarbeiten
werden, nicht erspart bleiben. Das einzige, was wir tun können, ist, von vornherein