Überführung der Kriegs= in die Friedenswirtschaft (Reichstagsbericht). 659
Von mehreren Mitgliedern wird an den Staatssekretär die Frage gerichtet,
inwleweit das Interesse des Handwerks bei der Übergangswirtschaft gewahrt werden
würde und inwieweit auch zu Genossenschaften zusammengeschlossene kleinere Betriebe
berücksichilgt werden könnten.
Ein Mitglied des Ausschusses verlangte unter dem Hinweis darauf, daß bei einigen
der bestehenden Kriegsgesellschaften die Interessen des Handwerks und Kleingewerbes
häufig einc nur geringe Berücksichtigung gefunden hätten, daß wenigstens in dem vom
Herrn Staatssekretär in Aussicht gestellten Beirat Vertreter dieser Stände zugezogen
werden sollen. Es handle sich bei der Ubergangswirtschaft nicht nur um die Beschaffung
und Einfuhr der Rohstoffe, Lebensmittel usw. aus dem Ausland, sondern auch um deren
gerechte Vertetlung im Inland. Wenn solche Artikel auf möglichst direttem Wege in die
Hände derjenigen gelangen, die Rohstosse zu verarbeiten haben und Artikel des täglichen
Vedarfs in den Verkehr bringen, so sei damit auch den Konsumenten gedient, weil dadurch
viele Zwischeuspesen erspart würden. Die Existenz von vielen kleinen Gewerbetreibenden
hänge davon ab, wie die Verteilung erfolge.
Der Staatssekretär betonte diesbezüglich, daß die Beschaffung der Rohstoffe
durch die Kriegs-Rohstoff--Abteilung zu erfolgen habe, daß die Verteilung der Rohstoffe
durch Unterausschüsse eisolge und dort selbstverständlich die Ansprüche einzelner Hand-
werker und Genossenschaften Berücksichtigung finden würden.
Ein Mitglied betont seine grundsätzliche Übereinstimmung mit den Ausführungen
des Staatssekretärs, die die große Bedeutung zeigten, welche auch für unsere auswärtige
Politik der Tatsache zukomme, daß wir nach Friedensschluß noch große neutrale Staaten
behielten, die in der Lage seien, in bezug auf die Übergangswirtschaft uns mit ihren Vor-
räten zur Seite zu stehen und die durch den Krieg zerrissenen Fäden wieder anzuknüpfen.
Die Rationierung der Rosthoffversorgung müsse zunächst bestehen bleiben. Für die spätere
Zeit nach dem Frieden sei die Frage zu prüfen, inwieweit eine Vorratswirtschaft erfolgen
müsse.
Gegenüber der Schaffung neuer Ausschüsse und einer völlig neuen Organisation
könne er Bedenken über die Nützlichkeit dieser Neuschaffung nicht unterdrücken. Etgent-
lich hättlen wir alles, was hierzu erforderlich sei, in der Kriegs-Rohstoff-Abteilung, und
er halte diese für die gegebene Organisation, um im wesentlichen auch den Übergang in
die Friedenswirtschaft zu ermöglichen.
Demgegenüber betont der Staatssekretär, daß er die Kriegs-Rohstoff-Abteilung
nicht für die geeignete Organisation hierzu ansehen könne. Dort sei alles auf den Krieg
gerichtet, hier in der Ubergangswirtschaft auf den Frieden. Bei allen wirtschaftspoliütlschen
Fragen, die sich auf den Frieden bezögen, sei aber das Reichsamt des Innern und die
ihm nachgeordneten Behörden die gegebene Instanz.
Ein Mitglied bemerkt, er erwarte nach Überwindung einer schweren Ubergangs-
zeit, deren Dauer heute noch nicht feststehe, einen großen Umschwung und eine Stärkung
des deutschen Kredits, dessen Grundlagen sich in diesem Kriege so sehr bewährt hätten.
Er tritt für die Hinzuziehung eines Vertreters des Kriegsministeriums (Kriegs-Rohstoff-
Abtellung) ein. Grundsätzliche Fragen der Übergangswirtschaft sollten vor dem Erlaß
einschneidender Verordnungen mit dem Ausschuß besprochen werden, namentlich darauf-
hin, inwieweit die Kriegsverordnungen einschließlich der Ermächtigung des Bundesrats
für die Übergangszeit aufrechterhalten bleiben sollten. Gegen die Übernahme der Kriegs-
gesellschaften habe er Bedenken, man solle jedenfalls nicht ohne weiteres an eine solche
Übernahme denken. Er wisse nicht recht, wie die Kreditfragen behandelt werden sollten,
die doch nicht sämtlich ohne weiteres wie die Aufhebung der Goldeinlösungspflicht, hin-
sichtlich unserer Banknoten, der Schatzaweisungen, der Reichsbankleitung allein über-
lassen werden würden. Dahin gehörten auch die Fragen der Beibehaltung oder Umge-
staltung der Darlehnslassen, Kriegskreditbanken usw. Es wäre wünschenswert, zu wissen,
ob auch hierfür der Reichskommissar für die Übergangswirtschaft zuständig sei, oder was
sonst hier geschehen solle. Im übrigen halte der Redner es für notwendig, daß der Aus-
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