Bek. gegen übermäßige Preissteigerung v. 23. Juli 1915. 8 5. 171
käufer tatsächlich keinen Gewinn gezogen hat, so kann er unmöglich wegen übermäßigen
Gewinnes zur Rechenschaft gezogen werden. Im Interesse wirksamer Bekämpfung des
Preiswuchers dürfen allerdings unter der Voraussetzung, daß man den Marktpreis als
Maßstab anerkennt, die höheren Gestehungsfosten nur in ganz seltenen Ausnahmefällen
berücksichtigt werden.
% Kirchberger a. a. O. 30. 1. Als Maßstab für die Berechnung des Gewinnes
dient regelmäßig und in erster Linie der Marktpreis.
2. Ist ein Marktpreis nicht zu ermitteln oder beruht er aus einer Notmarktlage,
die jedoch nur dann vorliegt, wenn sie in Preistreibereien oder sonstigen unlauteren
Machenschaften ihre Grundlage sindet, so entscheidet der Verkehrswert.
3. Kann auch der Verkehrswert nicht ermittelt werden, daunn ist die Gewinnberech--
nung auf der Grundlage der Gestehungskosten vorzunehmen. Uber die Frage des über-
mäßigen Gewinnes entscheidet freies richterliches Ermessen, jedoch nicht ohne vorheriges
Gchör von Sachverständigen des in Betracht kommenden Geschäftszweiges.
4. Hat der Verkäufer den Marktpreis eingebalten, so kann er wegen übermäßigen
Gewinnes nur dann bestraft werden, wenn er an der Notmarktlage beteiligt ist oder sie
gekannt oder infolge von Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
a/p. Kfm. 560. Eingabe der Altesten der Kaufmannschaft von
Berliu an den Reichskauzler vom 24. März 1917 Mit wachsender
Beunruhigung verfolgen Handel und Industrie die Entscheidungen des höchsten Ge-
richtshofes über die Bundesratsverordnung gegen die Übermäßige Preissteigerung
vom 23. Juli 1915. In der durchaus zu billigenden Absicht, den Kriegswucher
zu bekämpfen, droht die Rechtsprechung die Lebensbedingungen und den Lebens.
geist des Handels überhaupt zu vernichten. Der Ausschuß des Deutschen Handels-
tages hat bereits in seinen Verhandlungen vom 27. und 28. Oktober 1916 im ein-
zelnen dargelegt, wie nach kaufmännischer Auffassung der angemessene Gewinn von
dem wucherischen zu unterscheiden ist. Er hat sich dahin ausgesprochen, daß ein Preis
niemals für unzulässig und strafbar angesehen werden dürfe, wenn er sich in den Grenzen
des Marktpreises halte, sofern dieser einen auf hinreichend breiter Grundlage gewonnenen
Ausgleich von Angebot und Nachfrage darstelle. Es widerspricht kaufmännischen Gewohn-
heiten und Bedürfnissen, führt der Handelstag weiter aus, die Angemessenheit der Preise
vorwiegend auf Grundlage der Gestehungskosten zu beurteilen. Zum wenigsten müßlen
dabei die Geschäftsunkosten nach Maßgabc ihrer jetzigen Höhe und im Verhältnis zur
jetzigen Größe des Umsatzes zugeschlagen werden. Zu den Geschäftsunkosten müsse auch
der Leihzins des im Geschäft eingelegten fremden und eine dem Geldmarlt entsprechende
Verzinsung des eigenen Kapitals sowie eine angemessene Risikoprämic gehören. Bei
Verschiedenheit der Herstellungskosten oder der Einstandspreise für Waren gleicher Art
müsse der Kaufmann von Durchschnittsbeträgen ausgehen. Im übrigen sei ihm ein reiner
Nutzen zuzubilligen, der nach den gesamten Verhältnissen des Einzelfalles und jedenfalls
in solcher Höhe anzusetzen sei, daß er eine auch in Beziehung zum Umsatze ausreichende
Vergütung für die Tätigkeit des Unternehmers umschließe.
In einem Urteil vom 2. Februar 1917 (41, 848/16) hat das Reichsgericht dem-
gegenüber erklärt, daß die Auffassung des Deutschen Handelstages dem Zweck und der
Bedeulung des Wucherverbotes nicht entspreche. Mit immer größerer Schärse führt das
Reichsgericht in den neuesten Urteilen seine Grundsätze durch. Wir halten es für unsere
Pflicht, auf die schädlichen Folgen dieser Rechtsprechung hinzuweisen.
Die Verteuerung der gesamten Lebenshaltung hat eine Erhöhung der Löhne sowie
der Gehälter der unteren und mittleren Angestellten zur Folge gehabt. Nur die Masse
der selbständigen Kaufleute, die gerade in den kleineren Betrieben besonders von der
Verteuerung der Lebenshaltung betroffen werden, dürfen, wie das Reichsgericht im Urteil
vom 23. November 1916 (11) 445/16) ausspricht, einen höheren ziffernmäßigen Gewinn
als in Friedenszeiten nicht damit rechtfertigen, daß sic für sich und die Ihrigen jetzt mehr
verbrauchen als vordem. Auch an dem wesentlich verringerten Umsatz soll der Kaufmann