172 C. Handelssachen und Gewerbliches Eigentum.
nur den gleichen Verdienst wie im Frieden haben, und zwar ziffernmäßig den gleichen,
nicht einen Gewinn, der im Verhällnis zu den oft vielfach gesteigerten Gestehungskoßen
steht. Die Ausnahmefäle, in denen wegen erhöhten Risikos und vermehrter Unter.
nehmerarbeit ein Zuschlag gestatiet wird, fallen nicht ins Gewicht. — Die Folge dieser
Rechtsprechung muß sein, daß der solide Handelsstand notgedrungen seine Tätigkeit immer
mehr einschränkt oder sich anderen Berufen zuwendet. Damit aber wird gewissenlosen
Elementen, die sich vor UÜbertretung der Gesetze nicht scheuen, die Bahn frei gemacht
und der Kriegswucher, den das Gesetz belämpfen will, durch die Rechtsprechung gefördert.
Die ehrbaren und pflichtbewußten Kaufleute, die doch den weitaus größten Teil
des Handelsstandes bilden, haben über den Augenblick hinaus selbst Lebensintceresse daran,
daß die eigennützige Preistreiberei unterbunden wird. Ob im einzelnen Falle ein Preis-
wucher vorliegt, beurteilt der Kaufmann danach, ob der Marktpreis innegehalten oder
überschritten ist. Es muß dem Reichsgericht zugegeben werden, daß es sich hierbei nur
um den Marktpreis handeln kann, der auf hinreichend breiter Grundlage von Angebot
und Nachfsrage gewonnen ist. Aber während das Reichsgericht in früheren Urteilen nur
den Marktpreis von der Berücksichtigung ausschloß, der durch Preistreiberei und un-
lautere Machenschaften beeinslußt war, nennt es jetzt — Urteil vom 30. Oktober 1916
(4D 394/16), Urteil vom 19. Dezember 1916 (4 I) 734/16) — jede durch den Krieg ver-
ursachte Warenknappheit eine Notmarktlage und läßt den dadurch entstandenen Preis
nicht gelten. Im Urteil vom 12. Februar 1917 (31) 501/16) sagt schließlich das Reichs-
gericht, daß der Marktpreis überhaupt kein gesetzlicher Maßstab für die Bestimmung der
Gewinngrenze ist. — Mit dieser Ausschaltung des Marktpreises wird der Kaufmann auf
eine Gewinnberechnung verwiesen, dic im einzelnen undurchführbar ist. Die Folge ist
eine ganz allgemeine Rechtsunsicherheit. Zahlreiche Anfragen an uns ergeben, welche
Verwirrung in kaufmännischen Kreisen diese dem geschäftlichen Leben fremden An.
forderungen des Reichsgerichts anrichten, wie viele Geschäfte unterbleiben, und wie der
Handel zum Schaden des Ganzen dadurch gelähmt wird.
Die dem Bestehen des Handelsstandes so gefährliche Entwicklung ist wesentlich
verschärft worden durch eine Entscheidung vom 13. Februar 1917 (5 D 630/16). Das
Urteil spricht aus, daß ein Kaufmann, der zu einem bestimmten Preise verkauft hat, und
sich nachher billiger eindeckt, den vereinbarten Preis ermäßigen muß, sobald er bei der
Eindeckung sieht, daß er einen übermäßigen Gewinn machen würde. Ob der vereinbarte
Preis mit dem Marktpreis übereinstimmt oder nicht, erklärt das Reichsgericht für un-
erheblich. Andererseits hält es für selbstverständlich, daß der Kaufmann nicht mehr als
den vereinbarlen Preis zu beanspruchen hat, auch wenn er sich nur zum gleichen Preise
eindecken kann oder gar zu einem höheren Preise eindecken muß. Es sagt wörtlich: „Daß
auf diese Weise dem Verkäufer die Gefahr des Verlustes unbeschränkt überbürdet, die
Gewinnaussicht aber gekürzt wird. dice Wirkung ist mit der Verordnung gegen
die übermäßige Preissteigerung in jedem Falle notwendig verbunden.“ — Danmit ist
eine der wesentlichsten Grundlagen des kaufmännischen Handelns erschüttert. An solchen
Geschäften, durch die Waren verkauft werden, die der Verkäufer im Augenblick des
Abschlusses noch nicht besitzt, hat die Volkswirtschaft das größte Interesse. Sie gewähr-
leisten auch in den Zeiten cines erschütterten Wirtschaftslebens die Stetigkeit der Ver-
sorgung und der Preisgestaltung. Insbesondere für die Zeit der Übergangswirtschaft
werden solche Geschäfte von größter Bedeutung für die geordnete Versorgung der deutschen
Bevölkerung sein. Der Kaufmann kann gar nicht mehr auf die Suche nach billigen Ein-
kaufsquellen gehen, wenn ihm die Verlustgefahr sicher ist, er aber damit rechnen muß,
daß ihm der Gewinn auf ein Minimum beschränkt oder ganz entzogen wird. Ein anderer
als der durch Erfahrung und seine Geschäftsverbindungen befähigte Kaufmann kann aber
die Waren nicht in der erforderlichen Weise zusammenbringen, sie aussuchen und pfleglich
behandeln. Den Schaden hat neben dem Kaufmann vor allen Dingen der Verbraucher,
dem das Gesetz doch letzten Endes dienen muß.
Einc Gesetzesauslegung, welche nicht nur die Existenz des Handels untergräbt,