Fürsorge für Kriegslnvaliden. 449
der Kriegsbeschädigtenfürsorge vertretenen Hauptfürsorgeorganisationen die ihrer Obhüt
anvertrauten Kriegsbeschädigten nach Maßgabe der im Erlaß Nr. 60/12. 16. A. Z. S. 6
gegebenen Richtlinien des Kriegsamts durch entsprechende Berufsberalung, Berufs-
ausbildung und Arbeitsvermittlung den kriegswirts haftlich notwendigen Berufen zu-
führen. Sie sind sich des großen Wertes engen Zusammenarbeitens mit den militärischen
Dienststellen bewußt und begrüßen dankbarst das ihnen vom Kriegsamt entgegengebrachte
Vertrauen. Sie geben sich der Hoffnung hin, daß auf dieser Grundlage des engen Zu-
sammenarbeitens auh alle noch schwebenden oder neu auftauchenden Fragen einer bal-
digen Klärung und glücklichen Lösung zugeführt werden. Dazu rechnet der Reichsausschuß
in erster Linie die infolge der Veränderung des wirtschaftlichen Lebens besonders schwierige
und wichtige Aufgabe, die Kriegsbeschädigten nach Wiederkehr friedlicher Verhällnisse
wieder ihren ursprünglichen Berusen und dauernden Stellungen zuzuführen, bevor ihnen
durch das Zurückströmen der gesunden Arbeiter die ihrer beschränkten Arbeitsfähigkeit
entsprechenden Beschäftigungsmöglichkeiten verschlossen werden.
6) Ministerialerlaß vom 6. Juli 1917. (HMBl 2es.)
Es liegt Anlaß vor, unter Zurückgteifen auf die in dem gemeinschaftlichen Erlasse
der sämtlichen Herren Fachminister vom 29. August 1916, HMBl. 341 sin Bd. 3, 601]
zu III, vorletzter Absatz, gemachten Ausführungen wiederholt darauf hinzuweisen, welche
Gesahren für die ordnungsmäßige Zurückführung der Kriegsinvaliden in das Erwerbs-
leben in der äußerlichen Beurteilung liegen, die ihren Bedürfnissen seitens des Publikums,
auch aber seitens der Behörden entgegengebracht wird. Dem Invaliden wird nicht genützt,
wenn ihm zu einem besonders leichten Erwerbe verholfen wird, trotzdem er nach seiner
korperlichen Beschaffenheit zu ernsterer Tätigkeit in der Lage wäre, und die Offentlichkeit
leidet S-chaden darunter, wenn die Arbeitsposten salsch verteilt werden und infolgedessen
die wertvolleren unbesetzt bleiben, während bei den leichteren ein Wettbewerb entsteht,
anter dem naturgemäß die Schwerverletzten am meisten leiden müssen. Die schädliche
Entwickelung wird naturgemäß gefördert durch die Länge des Krieges und die Vermehrung
der Zahl der Invaliden. Um so mehr ist es Pfliht, ihr durch Aufklärung des Publikums
und durch verständige Handhabung der gesetlichen Bestimmungen Einhalt zu tun. Eine
leichte und mühelose Betätigung, wie sie beispielsweise in dem ambulanten Vertriebe
von Ansichtspostkarten oder soustigen wirtschaftlich minderwertigen Gegenständen besteht,
würde an Beliebtheit verlieren, wenn sie der Einträglichkeit entbehrte, die ihr nur durch
die unverständige Haltung des Publikums zuteil wird. An manchen Orten, insbesondere
in größeren Städten, tritt der Kriegsinvalide als Ansichtspostlartenhändler geradezu an
die Stelle des aus den letzten Kriegen bekannten Drehorgelspielers, vielfach sind es auch
nervenkranke Kriegsbeschädigte, die, zum Teil noch mit militärischen Bekleidungsstücken
versehen, dadurch auf der Straße und in Wirtshäusern Aufsehen erregen und eine gewisse
Beunruhigung in weitere Volksschichten tragen.
Gelingt es, das Publikum über dic richtigen Gesichtspunkte dahin aufzuklären, daß
das Entgegenkommen gegen solche Gewerbetreibende vielfach nur einem falschen Mit-
leid entspringt und weder dem Vorteil des Invaliden, in dem jede Neigung zur soliden
Arbeit getötet und das Interesse an der Besserung seines Gesundheitszustandes zurück-
gedrängt wird, noch dem der Allgemeinheit dient, donn wird der Zudrang zu solchen Be-
schäftigungen auch nachlassen. Wo deren Ausübung an eine behördliche Genehmigung
geknüpft ist, müssen die Behörden sich von gleichen Erwägungen leiten lossen und ihnen
insoweit Rechnung tragen, als sie für die Bewertung der gesetzlichen Ablehnungsgründe
oder den Ausfall einer in das Ermessen gestellten Entscheidung von Bedeutung sind.
In jedem Falle wird den Genehmigungsbehörden empfohlen, zwecks abschließender
Beurteilung des Falles mit den zuständigen Fürsorgestellen, gegebenenfalls auch mit
den früheren militärischen Dienststellen in Verbindung zu treten.
Krlegsbuch. Bo. ö. 29