Schutzhaftgesetz v. 4. Dezember 1916. 567
vpem Schweigen des Gesetzes über Prozeßnormen praktischerweise in Anlehnung an § 409
St GO. vollziehen. Dieser Paragraph verweist auch auf § 282 MSt#O.
Bei entsprechender Anwendung des 5 282 MSt G0O. wird die Frage, ob die Ver-
handlung vor dem RMG. in Schutzhaftsachen öffentlich sei, in bejahendem Sinne zu be-
antworten sein.
84.
Ang. Freuß. Gerfügung vom 30. Wal 1917 zu § 4 des Gesetzes v. 4. Dezember 19,
bestr. die Verhaftung umd Aufenthaltsbeschränkung auf Grund des Kriecgszustandes
und des Belagerungszustandes — NÖ1. 1829 —. (□Cml. i83.)
Der nachstehende Erlaß des Obermilitärbefehlshabers vom 7. April 1917 wird den
Justizbehörden zur Kenntnisnahme mitgeteilt. Nach einer Auskunft des Obermilitär-
besehlshabers werden die Ersuchen um Vernehmung durch den zuständigen Militärbefehls-
haber an dasjenige Amtsgericht gerichtet werden, in dessen Bezirke sich der Verhaftete
befindet.
Der Obermilitärbefehlshaber. Berlin W 66, den 7. April 1917.
Nr. 1361/2. 17. A. 1. Leipziger Straße b.!
In §W 4.
Die Vernehmung erfolgt in der Regel durch einen vom Militärbefehlshaber zu be-
stimmenden richterlichen Militär-Justizbeamten unter Zuziehung eines Militär-Gerichts-
schreibers, sie kann jedoch in Einzelfällen, wenn nicht besondere militärische Gründe ent-
gegenstehen, auch durch bas zuständige Amtsgericht ausgeführt werden.
85.
1. Sontag a. a. O. õ3. Unbeantwortet läßt das Gesetz die Frage, ob der neue Haft-
besehl abermals bekannt zu geben und eine neue Vernehmung nach §# 4 geboten ist. Man
wird diese Frage wohl bejahen müssen, weil der Schlußsatz des &55 auf alle Fälle nach Ab-
lauf der 3 Monate eine Entscheidung des Reichsmilitärgerichts über Fortdauer der Haft
verlangt. Damit steht das RM. vor der Wahl, ob diese Entscheidung auf Grund münd-
licher Verhandlung oder ohne eine solche erfolgen soll und dabei muß folgerichtig dem Ver-
hafteten auch Gelegenheit gegeben werden, den Antrag auf mündliche Verhandlung aus
83 Abs. 2 zu stellen. Die neuerliche Belehrung zu dieser Antragstellung erfolgt aber am
zuverlässigsten durch erneute Vernehmung.
2. Romen a. a. O. 65. Es fragt sich, ob der Haftbefehl auch dann aufgehoben werden
muß, wenn sich zwar die darin angegebenen Tatsachen als hinfällig erwiesen, gleichzeitig
sich aber neu: — d. h. nach Erlaß des Haftbefehles neu entstandene, oder zwar schon früher
entstandene, aber erst nach Erlaß des Haftbefehles neu bekannt gewordene oder aus son-
stigen Gründen bisher nicht berücksichtigte — Tatsachen ergeben haben, die den Erlaß
eines Haftbefehles gemäß 5# 1 rechtfertigen. Das Gesetz bestimmt darüber nichts. Man
wird sich dafür entscheiden müssen, daß in einem solchen Falle der Haftbesehl aufzuheben,
der Verhaftete freizulassen und ein neuer Haftbefehl zu erlassen ist. Der Verhaftete hat
nach § 2 einen Anspruch darauf, daß die der Verhaftung zugrunde liegenden Tatsachen
im Haftbefehle angegeben und ihm förmlich bekanntgegeben werden, damit er imstande
ist, die Gründe seiner Verhaftung zu widerlegen und sich darüber schlüssig zu werden, ob
er von neuem Beschwerde einlegen will.
§ 8.
1. Feisenberger, Leipz . 17 519. Aus # 8, wo ausdrücklich der Amtsrichter ge-
nannt ist, zu schließen per argumentum #o contmrio, daß in 3, 4 ein Militärrichter
gemeint sei, wäre unzulässig. In der Praxis scheint es regelmäßig so gehandhabt zu
werden, daß der militärische Inhaber der vollziehenden Gewalt einen ihm unterstellten
Kriegsgerichtsrat oder Militärhilfsrichter beauftragt. Der Inhaber der vollziehenden Ge-
wolt braucht aber nicht notwendig militärischen Charakter zu haben. An wen soll er sich