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Zehnter Abschnitt: Finanzwesen.
Erstes Kapitel: Allgemeines.
5 94.
Die Finanzverhältnisse im Grossherzogtum sind,
wie ohne weiteres einleuchtend, durch die stän-
dische Staatsform stark beeinflusst. Die ständische
Verfassung verteilt die öffentliche Gewalt als einen
Komplex von persönlichen Befugnissen unter die
Einzelpersonen der durch Vertrag miteinander
verbundenen Landesherrschaft und Stände, und
hat für eine unabhängig von den jeweiligen
Trägern der öffentlichen Gewalt über diesen
stehende und sie umfassende juristische Person,
den Staat, keinen Raum. Ebenso ist auch das
öffentliche Vermögen ein landesherrliches oder ein
ständisches oder, wo landesherrliches und stän-
disches Vermögen eine Verbindung eingegangen
ist, ein landesherrlich-ständisches. Dagegen ist ein
eigentliches Staatsvermögen der ständischen Staats-
idee fremd und muss ihr auch fremd sein, eben
weil es an einem Subjekte für dies Vermögen, dem
Staate, fehlt. Wie aber die ständische Staatsidee
in Mecklenburg unter dem Drucke modernrecht-
licher Anschauungen ihre ursprüngliche Reinheit
verloren hai, so ist auch (seit 1809) das Funda-
ment zu einem — neben dem landesherrlichen
und dem ständischen Vermögen stehenden —
Staatsvermögen in der Landessteuerkasse (früher:
Landesrezepturkasse) gelegt worden, trotzdem
streng genommen ein Subjekt dieses Vermögens
nicht vorhanden ist.
Das mecklenburgische Finanzwesen in seiner
heutigen Gestalt ist ein Produkt jahrhunderte-