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bunden, als er unter regelmäßigen Umständen den Eingang
der Antwort erwarten darf. Will er wegen besonderer Um—
stände länger gebunden sein, so muß er dies beim Antrag aus-
drücklich erklären 10).
In Kriegszeiten würde diese Auslegung große Härten mit
sich bringen, und wir müssen deshalb versuchen, eine andere,
mildere zu finden, und vor allem den Begriff „regelmäßige Um-
stände“ einer Prüfung unterziehen. Wir haben unter diesem
einen Zustand zu verstehen, der sich infolge einer längere oder
kürzere Zeit hindurch dauernden gleichmäßigen Übung zu einer
Gewohnheit umgebildet hat, die als so gewiß eintretend erscheint,
daß wir mit ihr im Verkehrsleben rechnen können.
Der Krieg ist etwas Außergewöhnliches. Auch seine Folgen
widersprechen jeder Gewohnheit. Aber wir müssen doch zugleich
einsehen, daß diese zwar außergewöhnlichen Umstände während
des Kriegszustandes mit mehr oder minder großer Regelmäßigkeit
wiederkehren. Wir gewöhnen uns daran, daß täglich nur wenige
Züge verkehren, daß wir zu Reisen von sonst halbtägiger Dauer
Tage gebrauchen, daß wir unsere Postsachen mit Verspätungen er-
halten. Kurz: wir gewöhnen uns an die jetzigen Zustände, weil
sie, wenn sie auch außergewöhnlich sind, doch mit mehr oder
minder großer Regelmäßigkeit wiederkehren. Das darf auch aufs
Rechtsleben nicht ohne Einfluß bleiben. Es wäre eine Buch-
stabenauslegung, wollten wir dem Antragsteller gestatten, daß er
den sonstigen Maßstab bei seinem Antrag anwendet und für die
Postbeförderung zwei Tage rechnet, während sie in Wirklichkeit
eine Woche dauert. Auch er hat die jetzigen unregelmäßigen Zu-
stände als regelmäßig anzusehen und sich demgemäß länger ge-
bunden zu fühlen. Er hat außer auf die Beförderungsschwierig-
keiten auch darauf Rücksicht zu nehmen, daß der Post durch den
Kriegsdienst eine Unmenge Beamte entzogen worden sind und
daher auch im Betriebe der Postanstalt selbst Verzögerungen ein-
treten, daß statt viermal nur dreimal täglich Postsachen aus-
getragen werden u. dgl. m. Ebenso hat er zu berücksichtigen,
daß längere Zeit gewisse Telegraphenlinien für den Privatverkehr
völlig gesperrt waren und daher z. B. die Aufforderung an den
10) RG . 59 S. 296; Planck, § 147 Anm. 3.