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Die Gefahr für Leib und Leben dauert oft gar nicht lange.
Der Feind bricht an einzelnen Stellen in das Grenzgebiet ein,
wird aber bald wieder zurückgeschlagen. Trotzdem kann die Zu-
lässigkeit fristloser Kündigung nicht verneint werden. In der
Regel sieht man zwar — und mit Recht — einen bloß zeit-
weiligen, leicht und verhältnismäßig rasch zu beseitigenden Mangel
nicht als gesundheitsgefährdend an m). Aber neben der Dauer
der Gefährdung muß auch deren Stärke berücksichtigt werden5),
und diese rechtfertigt gerade beim Krieg die Anwendung des
g 544 BGB. Wenn Hasse #) den Satz aufstellt: „Niemals kann
die Möglichkeit der Gefährdung angerechnet werden“, so ist er in
dieser Allgemeinheit zweifellos unrichtig. Solange noch die Mög-
lichkeit besteht, daß unsere Truppen aus taktischen oder strategischen
Gründen sich in unsere Grenzgebiete zurückziehen und einen Teil
dieses Landes den Feinden preisgeben, kann man dem Mieter
nicht zumuten, das Mietverhältnis aufrechtzuerhalten. Nicht
bloß die Orte des eigentlichen Kriegsschauplatzes kommen hier in
Betracht, sondern auch die, wo die Möglichkeit der Gefährdung so
wahrscheinlich ist, daß mit ihr gerechnet werden muß. Die Bei-
spiele Hasses stützen seine Behauptung nicht im mindesten. In
dem Verbot, in den nach der See zu liegenden Zimmern bei
unverhängten Fenstern Licht zu brennen, einen Rücktrittsgrund
überhaupt nur vermuten zu können, ist unverständlich. Dieses
Verbot mag eine kleine Unannehmlichkeit sein, aber weiter auch
nichts. Auch die Sturmflut in windreichen Sommern kann hier
nicht zum Vergleich herangezogen werden. Im allgemeinen wird.
man solche Naturereignisse wohl als höhere Gewalt ansehen
müssen, was man von der Kriegsgefährdung nicht sagen kann.
Dann ist aber außerdem zu bedenken, daß die Sturmflut meist
nur kurze Zeit dauert, die Möglichkeit feindlicher Überfälle aber
bereits ein halbes Jahr. Gegen die Gewalt der Wogen kann
man sich schützen, wenn auch hie und da die Schutzmittel nicht
genügen, gegen Mordbrennereien feindlicher Horden aber nur da-
durch, daß man der bedrohten Gegend den Rücken kehrt und
sicherere Plätze aufsucht. Während dieser ganzen Zeit den Miet-
57) R. 51 S. 211.
58) Oertmann, § 544 Anm. 2b.
5P) DJ3. 1914 S. 1107.