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— immer natürlich im Rahmen von Treu und Glauben —, daß
er neue Arbeitskräfte selbst unter gewissen Opfern einstellt, um
die Fortsetzung des Betriebs zu ermöglichen.
Wie ist es nun zu beurteilen, wenn das Geschäft völlig auf-
gegeben wird? In diesem Falle müssen die Gründe, die zur
Aufgabe führten, untersucht werden. Zu Beginn des Krieges
glaubte gar mancher Geschäftsherr, nun würde eine schwere Zeit
über das gesamte Leben hereinbrechen, man müssse sich bis aufs
äußerste einschränken, seine Waren, die vielleicht nicht eben Gegen-
stände des täglichen Lebens waren, würden nicht mehr gekauft:
Er schloß das Geschäft und entließ fristlos seine Angestellten. Es
leuchtet ein, daß diese Handlungsweise durchaus ungerechtfertigt
war. Gewiß kann der Geschäftsherr nicht gezwungen werden,
lediglich um der Arbeiter willen das Geschäft fortzuführen. Aber
solange nicht die eigentliche Kriegsnot ihn zu solch schwerwiegendem
Schritte nötigt, darf er nicht von dem äußersten Mittel, der so-
fortigen Entlassung, Gebrauch machen. Er handelt sonst schuld-
haft, er wird des Vertragsbruches schuldig. Und es kann Elster 50)
nur zugestimmt werden, wenn er in einer derartigen Handlungs-
weise nicht bloß eine vertretbare Unmöglichkeit sieht, sondern eine
schuldhafte Schadenszufügung im Sinne des § 823 BG., die
gegen den zwischen Arbeitgeber und #ehmer abgeschlossenen
Arbeitsvertrag verstößt.
Dagegen wird man dem Geschäftsherrn das Recht zur frist-
losen Entlassung zugestehen müssen, wenn sein Betrieb von der
Heeresverwaltung geschlossen wird. Liegt doch darin eine von
keiner der Vertragsparteien verschuldete Unmöglichkeit, die das
Vertragsverhältnis auflöst.
Werden aber von der Heeresverwaltung nur gewisse, zum
Betrieb des Werkes nötige Stoffe beschlagnahmt, so muß das
freie Ermessen des Richters im einzelnen Fall entscheiden, ob
darin ein „wichtiger Grund“ zu erblicken ist. Im allgemeinen
darf das wohl verneint werden, wenn die Beschlagnahme nur
eine nicht erhebliche Zeit dauert. So hat das KWG. Leipzigs) es
80) Elster, Kriegsnot oder Vertragsbruch, im „Arbeitsrecht“ I. Jahrg.
Heft 3/4 S. 130 ff.
S1) Urteil vom 5. Sept. 1914, abgedruckt im Sonderblatt des V. D. H.
Sp. 136.