Full text: Der Einfluß des Krieges auf die Hauptverträge des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

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der Gehilfe für ein bestimmtes Zweiggeschäft zur Dienstleistung 
verpflichtet war, der Geschäftsraum aber durch kriegerische Maß- 
regeln zerstört oder infolge der allgemeinen Verkehrsstockung gar 
nicht fertiggestellt werden konnte. 
Wir behaupteten schon oben, daß der Geschäftsherr nicht zur 
fristlosen Entlassung seiner Angestellten berechtigt sei, wenn er das 
Geschäft wegen der Unmöglichkeit lohnenden Weiterbetriebs 8s7) 
schließe. In ähnlicher Weise hat das KG. Offenbach s5) entschieden, 
indem es ein überwiegendes Interesse des Besitzers an der frist- 
losen Kündigung für den Fall verneinte, daß der Geschäftsbetrieb 
infolge der Einschränkung „kaum rentabel“ war. 
AImso unverständlicher ist ein Urteil desselben Gerichtsss), in 
dem die sofortige Entlassung damit gerechtfertigt wird: „Die Klage 
ist kostenpflichtig abzuweisen mit der Begründung, daß der Krieg 
eine katastrophale Wirkung für den Verklagten bedeutet, so daß 
dieser sich vis-à-vis de rien befindet.“#) 
Es tauchen hier zwei Fragen auf: Bedeutet der Krieg eine 
katastrophale Wirkung? Gibt augenblickliche schlechte Vermögens- 
lage einen Grund zur sofortigen Kündigung? 
„Katastrophale Wirkung“ heißt, in die Rechtssprache übersetzt, 
„höhere Gewalt“. Über diesen Begriff streiten sich zwei Lehren: 
Die absolute sieht als höhere Gewalt alle Ereignisse an, die von 
außen her eingreifen und die unter gewöhnlichen Umständen vor- 
aussehbaren Gefahren merklich übersteigen. Nach der relativen 
Lehre sind die jedesmaligen Verhältnisse zu berücksichtigen und 
„zu prüfen, ob der Handelnde auch bei Anwendung eines höheren 
Grades von Aufmerksamkeit und Vorsicht imstande war, die Ge- 
fahr vorauszusehen und abzuwenden.“5) Diese Auffassung muß 
als die zutreffendere angesprochen werden; wird sie doch durch Be- 
rücksichtigung des Einzelfalls und Verwerfung eines allgemeinen 
Maßstabes den Vorfällen gerechter als die absolute Lehre. 
84) Ähnl.: KE. Jena im G.= u. KG. XX 1 S. 27; a. A.: JW. 1912 S. 52. 
85) Abgedr. i. Sonderbl. d. V. D. H. Sp. 135; Franksurter Zeitg. vom 
10. Nov. 1914; ebenso Baum, Einfluß S. 817. 
86) Abgedr. i. Sonderbl. d. V. D. H. Sp. 135. 
87) Die Gründe dieses Urteils waren mir nicht zugänglich, so daß ohne sie 
auf das Urteil eingegangen werden muß. 
88) RGRKomm. 8 203 Anm. 2.
	        
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