— 100 —
das Elbgefilde. Malerisch zieht sich das Dorf „Collm“ von Süden
her an den Gehängen hinauf, und altes Gemäner erinnert uns an
die Feste, nach der in früheren Jahrhunderten geharnischte Ritter
zogen, um im Freien ihre Landesversammlungen (2. August 1185)
zu halten. In diesen liegt der Keim, ans dem sich später die
sächsischen Landtage entwickelt haben. Fragenden Blickes schaut heute
noch der Bauer zu dem Gipfel auf und erwartet Regen, wenn derselbe
sich in Nebel hüllt. Die Gewitter aber, die vom Westen hergezogen
kommen, finden an ihm einen starken Wetterbrecher, so daß Oschatz.
(über 10 T.) im Osten des Berges sich in glücklicher Gegend an-
gesiedelt (Oschatz = Ansiedelung) hat: glücklich im Wetterschutze des
Berges, glücklich in der Fruchtebene, die Schenern und Speicher der
Ackerbürger füllt. So wird der Kolmberg in Rundung und Be-
waldung als Aussichtspunkt und Wetterprophet, als
Wetterbrecher und Markstein der fruchtbaren Ebene ein
wirkliches Wahrzeichen des Nordens unseres Landes.
6. Im Gegensatze zu dieser bedeutsamen Erhebung des Südostens
fällt das Becken am Westrande zur Muldenebene ab, die nicht selten
von der Stromflut des Flusses zu leiden hat. Auch die letzten
Hügel der angrenzenden Höhen verlaufen bedeutungslos an dem
Uferrande. Daher suchte hier schon seit alter Zeit eine wichtige
Verkehrsstraße von der Elbe her nach Leipzig hin den Ubergang
über den Fluß zu gewinnen. Dieser zweigt freilich rechtsseitig einen
Arm ab, so daß sich für Straße und Bahnlinie eine mehrfache
Uberbrückung nötig machte. Die Stelle des Uberganges wird durch
die Stadt Wurzen bezeichnet, deren Gründung bis in das 10. Jahr-
hundert zurückgreift. Die Stadt wurde frühzeitig ein Stützpunkt
des kirchlichen Lebens. Die Verbreitung der christlichen Lehre ging
von ihr in die Umgegend aus. Als eine untergeordnete Schwester-
kirche des Meißner bischöflichen Domes erhob sich die Domkirche
(Kollegiatstift) der Stadt. Als dann sogar die Bischöfe selbst ihre
Residenz in Wurzen nahmen, entstand neben der Kirche das Schloß,
dessen erstes Stockwerk der geistliche Würdenträger bewohnte. Nach
dieser Zeit des Glanzes brach durch Krieg, Pest und Brände bald
eine trostlose Leidenszeit über die Bürgerschaft herein. Ja, der
Schwede hanste (1637) in der bedrängten Stadt mit so teuflischer
Grausamkeit gegen Leib und Leben der Bürger, daß wir noch heute
mit Schrecken von der „Wurzener Marterwoche“ sprechen hören.
Erst unser Jahrhundert hat der Stadt, die unter Benutzung der
reichen Wasserfülle einen vielartigen Fabrikbetrieb in ihren Manern
ausbildete, zu neuer Blüte verholfen. Außer der Dampfmühle mit
Bäckerei, die ihre Erzengnisse, zumal die wohlschmeckenden Bisknits,
nach allen Orten Sachsens versendet, verdient namentlich die Her-
stellung von Samttapeten aus farbigem Wollstaub und von Filz-
belegen für die Klavierhämmer hervorgehoben zu werden. Dom-
kirche und Schloß, Brücken und Fabriken sprechen dentlich