Full text: Die Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches und des Preußischen Staates in gedrängter Darstellung.

108 IV. Das Reichsland Elsaß-Lothringen. 
Das von Frankreich an das Deutsche Reich abgetretene 
Gebiet einem einzelnen Bundesstaate einzuverleiben, wurde aus 
verschiedenen Gründen nicht für ratsam erachtet; Elsaß- 
Lothringen wurde daher zu einem „Reichsland“ erklärt und 
die Ausübung der Staatsgewalt dem Kaiser übertragen. 
Diese eigenartige staatsrechtliche Stellung des Reichs- 
landes hat im Laufe der siebziger Jahre zu wiederholten 
gesetzgeberischen Maßnahmen geführt, um das Reichsland all- 
mählich selbständiger und den Bundesstaaten ähnlicher — so- 
weit überhaupt angängig — auszugestalten. So entsendet es 
seit 1874 15 Mitglieder in den Reichstag und ist seit 1879 im 
Bundesrate zunächst mit beratender Stimme vertreten; 1879 
wurde sodann in Straßburg ein Kaiserlicher Statthalter 
eingesetzt und ihm das Ministerium für Elsaß-Lothringen 
als oberste Behörde zur Seite gestellt; ebenso wurde seit 1877 
zur Mitwirkung bei den Landesgesetzen ein Landesausschuß ge- 
schaffen. Einen neuen hochbedeutsamen Schritt zur vollen Selb- 
ständigkeit bildet die 1911 durch Gesetz vom 31. Mai (RGBl. 
S. 225) „über die Verfassung Elsaß-Lothringens" durchgeführte 
Neuordnung. Es hat damit im wesentlichen eine Verfassung wie 
die der größeren Bundesstaaten erhalten. 
Unverändert geblieben ist hierbei die staatsrechtliche 
Stellung des Kaisers zum Reichslande: der Kaiser übt wie 
bisher die Staatsgewalt aus. An der Spitze der Landes- 
regierung steht der Kaiserliche Statthalter. Er wird vom 
Kaiser zur Ausübung seiner landesherrlichen Hoheitsrechte 
eingesetzt und kann jederzeit wieder abberufen werden: 
er ist daher gleichsam der Landesherr und zugleich der oberste 
Verwaltungschef. Ihm zur Seite steht als höchste Landes- 
behörde das Ministerium für Elsaß-Lothringen, das 
in vier Abteilungen zerfällt: I. für Inneres (einschl. Berg- 
wesen); II. für Justiz und Kultus; III. für Finanzen, Handel 
und Domänen; IV. für Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten.
	        
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