110 !V. Das Reichsland Elsaß-Lothringen.
im allgemeinen gleich, nur ist die Stimmabgabe der Wähler
an die Forderung eines einjährigen Wohnsitzes und einer
dreijährigen Staatsangehörigkeit gebunden. Auch findet
— abweichend vom Reichswahlrecht (s. S. 57) — keine
Stichwahl, sondern am 7. Tage nach der Hauptwahl eine Neu-
wahl statt, bei der neue Kandidaten aufgestellt werden können;
gewählt ist hierbei, wer die meisten gültigen Stimmen hat.
Die Wahlen erfolgen stets an Sonntagen; Einsprüche gegen
die Gültigkeit der Wahlen entscheidet des Oberlandesgericht Col-
mar, während der Reichstag die Wahlprüfungen selbst vornimmt.
Die näheren Bestimmungen über die Rechte der Kammern
und die Stellung ihrer Mitglieder sind im wesentlichen die gleichen
wie für Preußen (s. S. 127); nur ist ihnen das in Preußen
bestehende Recht, aus sich heraus Sachprüfungen (Enqusten) zu
veranstalten (s. S. 127), nicht zugestanden. Jede Kammer hat wie
der Kaiser das Recht, Gesetze vorzuschlagen. Die Geschäftssprache
des Landtages, der Behörden und öffentlichen Körperschaften ist
wie die Unterrichtssprache in den Schulen deutsch; es kann
jedoch in Gebieten mit überwiegend französisch sprechender
Bevölkerung in dem bisherigen Umfange das Französische
im amtlichen Geschäftsverkehr und im Unterricht zugelassen
werden.
Elsaß-Lothringen ist völlig schuldenfrei an das Deutsche
Neich abgetreten worden, auch wurde für die Lasten und Schäden,
welche der Krieg verursacht hatte, reicher Ersatz gewährt. Anderer-
seits gehören die Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen nicht dem
Reichslande, sondern dem Reiche, das sie aus Mitteln der Kriegs-
entschädigung für sich erworben hat; auch dürfen Eisenbahnen, die
dem öffentlichen Verkehr dienen, nur vom Reiche oder mit dessen
Zustimmung gebaut werden (8 24 der E. L. Verfassung). Der
Ertrag der Reichseisenbahnen (s. S. 75) fließt also in die
Reichskasse, und die zu ihrem Ausbau erforderlichen Mittel werden
durch Reichsanleihen beschafft. Elsaß-Lothringen erhält jedoch von