112 V. Geschichte der Preußischen Verfafsung.
Verfassung und Verwaltung des
Preußischen Staates.
V. Geschichte der Preußischen Derfassung.
Der Kongreß zu Wien hatte Preußen nach den Befreiungs-
kriegen in zwei ungleiche und voneinander getrennte Gebiets-
teile zerlegt: auf der einen Seite die Rheinprovinz und Westfalen,
auf der anderen Seite die sechs östlichen Provinzen. Friedrich
Wilhelm III. (1797 — 1840) hatte viel getan, seinem Staate
die fehlende äußere Einheit durch die innere Einheit der Ver-
waltung zu ersetzen, die im Jahre 1815 seinem Volke zugesagte
Verfassung hatte er aber nicht erteilt. Unter seinem Sohne und
Nachfolger, dem Könige Friedrich Wilhelm IV. (1840—1861),
wurden die Bitten um eine Volksvertretung immer dringender,
fanden zunächst aber nur in der Form Genehmigung, daß eine
regelmäßige Zusammenkunft der Provinziallandtage vorgesehen
wurde. Im Jahre 1847 schuf der König eine Art von Landes-
vertretung in dem „Vereinigten Landtage“, welchem insbesondere
das Petitionsrecht (das Recht, Bitten und Beschwerden an den
König zu bringen), das Recht eines Beirates bei der Gesetz-
gebung sowie das Recht beigelegt wurde, bei Aufnahme von
Staatsanleihen und Einführung neuer Steuern gehört zu werden.
Die Zusammensetzung dieses Vereinigten Landtages beruhte auf
ständischer Grundlage (S. 2); er zerfiel in zwei Kurien: die
erste war die „Herrenkurie“, welche aus dem hohen Adel be-
stand und vom Könige ernannt wurde; die zweite Kurie umfaßte
die Abgeordneten der Ritterschaften, Städte und Landgemeinden
nach demselben Zahlenverhältnis, wie sie auf den Provinzial-
ständen vertreten waren. Mit dieser Gesamtvertretung war das
preußische Volk um so weniger zufrieden, als die „Periodizität",
d. h. das Recht regelmäßigen periodischen Zusammentretens,