Full text: Die Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches und des Preußischen Staates in gedrängter Darstellung.

VI. Die Preußische Verfassung. 117 
Gewalten im Staatsleben“. Gleichwohl ist der Schwerpunkt 
der Staatsgewalt in Preußen bei der Krone und deren jeweiligem 
Träger verblieben. Es entspricht dies der geschichtlichen Ent- 
wickelung des Preußischen Staates, welcher seinem Herrscher- 
hause sein fast beispielloses Emporblühen und seine jetzige Größe 
verdankt. Die Verfassung ist demgemäß, wie die Allerhöchste 
Botschaft vom 4. Januar 1882 (Anh. S. 33) besagt, „der Aus- 
druck der monarchischen Tradition dieses Landes, dessen Ent- 
wickelung auf den lebendigen Beziehungen seiner Könige zum 
Volke beruht“. Es gelangen daher zwar auch in der Preußischen 
Verfassung die unentbehrlichen Grundlagen eines jeden ver- 
fassungsmäßigen Regimentes zum Ausdruck; hiernach bedarf es 
zum Erlasse von Gesetzen, zur Auferlegung von Steuern und zur 
Bestreitung von Ausgaben, die nicht bereits durch Gesetz festgestellt 
sind, der Zustimmung der Landesvertretung, welcher die „gesetz- 
geberische Initiative“ (S. 59), das „Petitionsrecht“ (S. 60), 
die Überwachung der Verwaltung, insbesondere der Finanz- 
verwaltung zustehen; ebenso ist selbstredend jeder unmittelbare oder 
mittelbare Eingriff der Staatsgewalt in die richterliche Tätigkeit 
ausgeschlossen. Dagegen ist ein Recht der jeweiligen parlamen- 
tarischen Mehrheit, daß aus ihr die Minister als Räte der 
Krone hervorgehen müssen, und daß demgemäß ein Ministerium, 
welches eine „parlamentarische Niederlage“ erlitten hat, zurück- 
treten oder die Kammer auflösen muß, weder in der Verfassung 
zum Ausdruck gebracht, noch bisher tatsächlich zur Ubung gelangt. 
Einen Zwang zum Ministerwechsel bei jedem Wechsel der stammer- 
mehrheit (wie u. a. in England, Italien, Frankreich und Belgien) 
hat unser ausgeprägt monarchisches Staatswesen zu seinem 
Heile bislang nicht gekannt. Die Allerhöchste Botschaft 
vom 4. Januar 1882 hat im Gegenteil, um eine „Ver- 
dunkelung der verfassungsmäßigen Königsrechte“ zu verhüten, 
ausdrücklich das Recht des Königs betont, „die Regierung 
und die Politik Preußens selbständig und nach eigenem Ermessen
	        
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