Full text: Die Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches und des Preußischen Staates in gedrängter Darstellung.

8        I. Geschichte der Verfassung des Deutschen Reiches. 
             Diese Staatsform vermochte auf die Dauer dem politisch 
wachsenden und erstarkenden Nationalgefühl der Deutschen nicht 
zu genügen; nur auf wirtschaftlichem Gebiete fand das deutsche 
Volk in dem Zollverein eine gewisse Befriedigung seines 
Einheitsbedürfnisses, die ihm sonst der Deutsche Bund ver- 
sagte. Trotzdem führte die freiheitliche Bewegung des 
Jahres 1848 nur vorübergehend eine Anderung herbei. Eine 
deutsche Nationalversammlung aus Vertretern des Volkes 
trat im Mai 1848 in der Paulskirche zu Frankfurt a. M. 
zusammen. Aus ihren Beschlüssen ging die „Verfassung des 
Deutschen Reiches vom 28. März 1849“ hervor, in welcher 
neben einer Vertretung des Volkes (im Volkshaus) die erbliche 
Übertragung der deutschen Kaiserwürde an einen regierenden 
Fürsten vorgesehen war. Die Wahl der Nationalversammlung 
fiel auf König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (regierte 
1840 bis 2. Januar 1861); da dieser jedoch die Kaiserkrone 
ablehnte, so wurde die Reichsverfassung damit hinfällig. In- 
folge davon löste sich die Nationalversammlung allmählich ohne 
besonderen Beschluß auf; die weitere Entwickelung der deutschen 
Angelegenheiten ging wiederum ausschließlich an die Regierungen 
über. Die alte Bundesverfassung von 1815 wurde wieder 
anerkannt und der Bundestag der Regierungen trat in 
Frankfurt a. M. in der früheren Weise zusammen. So 
war der Versuch einer Neuordnung des Deutschen Bundes 
kläglich gescheitert. Nicht minder erfolglos blieb der von 
Osterreich ausgegangene Versuch einer Neuordnung, welchen 
der Deutsche Fürstentag, dem freilich der König von 
Preußen fern geblieben war, im August 1863 zu Frank- 
furt a. M. angenommen hatte. 
Überhaupt hatten sich im Anfange der sechziger Jahre die 
Verhältnisse zwischen Preußen und Ssterreich innerhalb des 
Deutschen Bundes immer schärfer zugespitzt; insbesondere waren 
beide Mächte in der Schleswig-Holsteinschen Frage uneinig.
	        
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