4. Von den Staatsbürgern. 137
vom 22. April 1875 (GS. 1875 S. 149) bestimmt, daß die
staatlichen Leistungen und Nutzungen nur denjenigen katholischen
Bischöfen und Geistlichen zuteil werden sollten, welche die
Staatsgesetze befolgen. Aus dem Widerstande der katholischen
Kirche gegen diese Gesetzgebung war der sog. Kulturkampf ent-
standen. In den Jahren 1880 bis 1887 ist die frühere Ge-
setzgebung zum größten Teil wieder nufgehoben worden, so daß
der Kulturkampf seitdem beendet ist. Dagegen hat der Staat
das Recht des Einspruchs bei der dauernden Übertragung
eines Pfarramtes erlangt.
Durch die Aufhebung des deutschen s. g. Jesuitengesetzes
vom 4. Juli 1872 ist der Orden der Gesellschaft Jesu seit
April 1917 wieder in Preußen zugelassen.
Zur Vertretung der staatlichen Kirchenhoheit hat Preußen am
päpstlichen Hofe im Vatikan zu Rom einen Gesandten beglaubigt.
8. Das Recht der freien Meinungsäußerung.
„Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck
und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.“
(Art. 27.)
Eine Beschränkung der Lehrfreiheit und der freien wissen-
schaftlichen Forschung findet nicht statt; „die Wissenschaft und
ihre Lehre ist frei“ (Art. 20). Auch die Presse ist vom
Zeitungsstempel und den früheren Schranken der Zensur durch
die freiere Gesetzgebung des Reiches befreit worden (s. S. 46).
9. Das Versammlungs= und Vereinsrecht, das für
Preußen in den Artikeln 29 und 30 der Verfassung aus-
drücklich anerkannt war, ist seit 1908 durch das neue Reichs-
vereinsgesetz zum allgemeinen deutschen Grundrechte erhoben
worden (s. das Nähere S. 47 ff.).
B. Vom Belagerungszustand.
(Artikel 111.)
Die meisten verfassungsmäßig gewährleisteten persönlichen
Rechte des Staatsbürgers können vorübergehend, und zwar