12 I. Geschichte der Verfassung des Deutschen Reiches.
seiner Heere hoben das Volk zu hohem und stolzem National-
gefühl und drängten die süddeutschen Regierungen, einen
engeren Anschluß an Norddeutschland zur Herstellung eines
einheitlichen, großen und starken Reiches zu suchen.
Diese Einigung mit den süddeutschen Staaten wurde
ohne wesentliche Schwierigkeiten erreicht; jedoch mußten den
Königreichen Bayern und Württemberg in manchen — und
zum Teil nicht unerheblichen — Punkten Sonderrechte zu-
gestanden werden (s. S. 17). Gleichzeitig erging auf Anregung
des Königs von Bayern von den deutschen Fürsten und Freien
Städten an den König von Preußen der einmütige Ruf,
mit Herstellung des Deutschen Reiches auch die seit mehr als
60 Jahren ruhende deutsche Kaiserwürde wieder zu erneuern
und zu übernehmen. Diesem Rufe Folge leistend, nahm König
Wilhelm von Preußen am 18. Januar 1871 im Schlosse zu
Versailles die erbliche Würde eines Deutschen Kaisers mit
dem Wunsche an, daß „Gott den Trägern der Kaiser-
krone verleihen wolle, allzeit Mehrer des Reiches
zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern
an den Gütern und Gaben des Friedens auf dem Ge-
biete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung“.
Am 17. März 1871 trat sodann zu Berlin der erste
Deutsche Reichstag zusammen. Ihm wurde die „Verfassungs-
urkunde für das Deutsche Reich“ zur Genehmigung vorgelegt;
sie enthielt — mit einer Ausnahme — keine Abänderungen
des bestehenden Verfassungsrechtes, faßte vielmehr nur die in
den einzelnen Verträgen mit den süddeutschen Staaten und
in der Verfassung des Norddeutschen Bundes zerstreuten Be-
stimmungen einheitlich zusammen. Diese Verfassung ist durch
das Gesetz vom 16. April 1871 „betreffend die Verfassung
des Deutschen Reiches“ zur Einführung gelangt (s. Anlage)j.
Durch den Friedensschluß zu Frankfurt a. M. vom
10. Mai 1871 wurde Elsaß-Lothringen mit dem Deutschen Reiche