Full text: Die Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches und des Preußischen Staates in gedrängter Darstellung.

5. Das Kultusministerium. 175 
21 und 25 der Verfassung, welche den Gemeinden die Pflicht. 
auferlegen, Gemeindeschulen zu errichten und zu erhalten, und 
gleichzeitig einen Schulzwang vorschreiben, der die Eltern 
verpflichtet, ihre Kinder nicht ohne den Unterricht zu lassen, 
welcher für die Volksschule vorgesehen ist. Nach dem Lehr- 
plane der Volksschule muß jeder Preuße lesen, schreiben und 
mit den vier Grundrechnungen rechnen können. Infolge dessen 
sind die Elementarkenntnisse sehr verbreitet, und die Zahl 
der Analphabeten (d. h. der Personen über 10 Jahre, welche 
weder lesen noch schreiben können) geht auch in den östlichen 
Provinzen der Monarchie mehr und mehr zurück. Während 
1880/81 unter den Rekruten aus Preußen noch 2,37 Prozent 
ohne Schulbildung waren, betrug dieser Prozentsatz 1909 nur 
noch 0,02 der eingestellten preußischen Mannschaften. 
Die Mittel zur Errichtung und Unterhaltung der Volks- 
schulen werden in erster Reihe von den Gemeinden und im Falle 
des nachgewiesenen Unvermögens ergänzungsweise vom Staate 
aufgebracht (Artikel 25 der Verfassung). Der Staat gewährleistet 
demnach den Volksschullehrern ein festes, den örtlichen Ver- 
hältnissen angemessenes Einkommen. In Ausführung 
dieser Bestimmung sind mehrfach Gesetze zur Erleichterung 
der Volksschullasten ergangen. Zuletzt hat das Gesetz vom 
26. Mai 1909 (GS. S. 93) das Diensteinkommen der Lehrer 
und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen Preußens ein- 
heitlich in Verbindung mit der allgemeinen Aufbesserung der 
Beamtengehälter (S. 116) neu geregelt. Dem Arikel 25 
der Verfassung entsprechend ist die Erhebung eines Schulgeldes 
bei Volksschulen in Fortfall gekommen, sofern nicht andern- 
falls eine erhebliche Vermehrung der Gemeinde= oder Schul- 
abgaben eintreten müßte. 
Eine überaus bedeutsame einheitliche Gestaltung des 
Volksschulwesens ist 1908 nach wiederholt gescheiterten 
Versuchen erfolgt. Am 1. April 1908 trat das Gesetz vom 
127
	        
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