28 Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat.
Art. 80. Keine der beiden Kammern kann einen Beschluß fassen,
wenn nicht die Mehrheit der gesetzlichen Anzahl ihrer Muglieder an-
mesend ist“o). Jede Kammer saßt ihre Beschlüsse nach absoluter
Stimmenmehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäftsordnung für
Wahlen etwa zu bestimmenden Ausnahmen.
Art. 81. Jede Kammer hat für sich das Recht, Adressen an den
König zu richten.
iemand darf den Kammern oder einer derselben in Person eine
Bittschrift oder Adresse überreichen.
Jede Kammer kann die an sie gerichteten Schriften an die
Minister überweisen und von denselben Auskunft über eingehende Be-
schwerden verlangen.
Art. 82. Eine jede Kammer hat die Befugnis, behufs ihrer In-
formation Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu er-
nennen.
Art. 83. Die Mitglieder beider Kammern sind Vertieter des
ganzen Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Uberzeugung und sind
an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.
Art. 8S4. Sie können für ihre Abstimmungen in der Kammer
niemals, für ihre darin ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb der
Kammer auf Grund der Geschäftsordnung (Art. 78) zur Rechenschaft
gezogen werden.
Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung
während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten
Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer
wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden
Tages nach derselben ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden
notwendig.
Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied der Kammer und eine
jede Untersuchungs= oder Zivilhaft wird für die Dauer der Sitzungs-
periode aufgehoben, wenn die betreffende Kammer cs verlangt.
Art. 85. Die Mitglieder der Zweiten Kammer erhalten aus der
Staatskasse Reisekosten und Diäten nach Maßgabe des Gesetzes. Ein
Verzicht hierauf ist unstatthaft.
Titel VI. Von der richterlichen Gewalt.
Art. 86. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs
durch unabhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes
unterworsene Gerichte ausgeübt.
°) Die Bestimmung des Satzes 1 des Art. 80 glilt nur noch für das Haus der
Abgeordneten (die Zwelte Kammer). In betreff des Herrenhauses (der Ersten Kammer)
ist dieselbe durch das Gesetz vom J3u. Mai 1855 (ckr. §1 des Gesetzes) GS. Nr. 19
S. 318 aufgehoben und durch folgende Bestimmun ersel4 worden (5 2 des Gesetzes):
.Das Herrenhaus kann keinen Veschluß fassen, wenn nicht mindestens
sechzig der nach NMaßgab-= der Verordnung vom 17. Cltober 1854 (GVÖ.
G. o41— 54 in El und Stimme berufenen Mliglieder anwesend kind.“