Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat. 29
Die Urteile werden im Namen des Königs ausgefertigt und voll-
streckt.
Art. 87. Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen
auf ihre Lebenszeil ernannt.
Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die
Gesetze vorgesehen haben, ihres Amtes entsetzt oder zeitweise enthoben
werden. Die vorläufige Amtssuspension, welche nicht kraft des Ge-
setzes eintritt, und die unfreiwillige Versetzung an eine andere Stelle
oder in den Ruhestand können nur aus den Ursachen und unter den
Formen, welche im Gesetze angegeben sind, und nur auf Grund eines
richterlichen Beschlusses erfolgen.
Auf die Versetßungen, welche durch Veränderungen in der Orga-
nisation der Gerichte oder ihrer Bezirke nöltig werden, finden diese
Bestimmungen keine Anwendung.
Art. 8SVa. Bei der Bildung gemeinschaftlicher Gerichte
für preußische Gebietsteile und Gebiete anderer Bundes-
staaten sind Abweichungen von den Bestimmungen des
Art. 86 und des ersten Absatzes im Art. 87 zulässig)
Art. 88. Aufgehoben.“")
Art. 89. Die Organisation der Gerichte wird durch das Gesetz
bestimmt.
Art. 90. Zu einem Richteramte darf nur der berufen werden,
welcher sich zu demselben nach Vorschrift der Gesetze befähigt hat.
Art. 91. Gerichte für besondere Klassen von Angelegenheiten,
insbesondere Handels= und Gewerbegerichte, sollen im Wege der Ge-
setzgzebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfnis solche
erfordert.
Die Organisation und Zuständigkeit solcher Gerichte, das Ver-
fahren bei denselben, die Ernennung ihrer Mitglieder, die besonderen
Verhältnisse der letzteren und die Dauer ihres Amtes werden durch
das Gesetz festgestellt.
Art. 92. Es soll in Preußen nur Ein oberster Gerichtshof bestehen.
Art. 93. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in
Zivil- und Strassachen sollen öffentlich sein. Die Offentlichkeit kann
jedoch durch einen öffentlich zu ver kündenden Beschluß des Gerichts
ausgeschlossen werden, wenn sie der Ordnung oder den guten Sitten
Gefahr droht. ,
In anderen Fällen kann die Offentlichkeit nur durch Gesetze be-
schränkt werden.
Art. 94. Bei Verbrechen erfolgt die Entscheidung über
die Schuld des Angeklagten durch Geschworene, insoweit
ein mit vorheriger Zustimmung der Kammern erlassenes
Gesetz nicht Ausnahmen bestimmt. Die Bildung des Ge-
schworenengerichis regelt das Gesetz.“#)
¾ Verfassungsgesetz vom 19. Februar 1879 (GS. S. 18).
*) Der Artltlel 38 ist durch das Gesetz vom 30. April 1856 (GS. Nr. 22 S. 297)
aufgchoben.
*) Gesetz vom 21. Mai 1852 (G. Nr. 15. S. 240.)