20 II. Verfassung des Deutschen Reiches.
schnittlich 560 000 und zuletzt fast 860000 Menschen — fast
1 ½ 4 der Gesamtbevölkerung.
1910 waren etwa 61,6% der Bevölkerung evangelisch, 36,7%
katholisch und fast 14 jüdisch. Die weibliche Bevölkerung über-
wog um 0,84 Millionen.
Für Deutschland ist seit dem 1. April 1893 die Einheit
der Ortszeit gesetzlich eingeführt worden; hierbei ist als
Einheitszeit die mittlere Sonnenzeit des 15. Längengrades
östlich von Greenwich angenommen.
B. Deutschland hat im Gegensatz zu anderen Ländern (wie
England, Frankreich, Holland) eigentliche Kolonien früher
nicht gehabt. Nachdem jedoch seit 1866 eine stetig wachsende
deutsche Kriegsflotte entstand, ward auch bei uns das Streben
nach einer zielbewußten Kolonialpolitik mehr und mehr rege.
Diesen Bestrebungen ist das Reich seit 1884 durch Erwerb über-
seeischer Gebiete zunächst in Ost- und Westafrika und in Ozeanien
gerecht geworden. Schritt für Schritt hatten wir dabei mit
der Eifersucht und dem Übelwollen der benachbarten Kolonial=
mächte zu kämpfen. In Afrika wurden 1890 durch ein Ab-
kommen mit England die streitigen beiderseitigen Gebiete ab-
gegrenzt; hierbei hat England als Ersatz für aufgegebene deutsche
Ansprüche Helgoland abgetreten (S. 19). 1897 hat das
Deutsche Reich die an der Ostküste Chinas, am gelben Meere
in der Provinz Schantung gelegene Kiautschau-Bucht von
China „vorläufig auf 99 Jahre“ gepachtet und 1899 von
Spanien die Inselgruppen der Karolinen, Palau und Marianen
für 20 Millionen erworben; 1900 ist ferner der größte
Teil der Samoa-Inseln in deutschen Besitz übergegangen und
1911 Kamerun durch französisches Kolonialgebiet vergrößert
worden.
Der deutsche Kolonialbesitz in Afrika (Ostafrika, Süd-
westafrika, Kamerun und Togoland ist fast fünfeinhalbmal so groß
als das Deutsche Reich; die Gebiete in Ozeanien (Kaiser-