2. Reichsgesetzgebung. 39
hierbei grundlegenden Gesetze entstammen den achtziger Jahren
und waren seitdem durch Nachträge mannigfach erweitert
worden. Sie sind 1911 in der Reichsversicherungs-
ordnung (Gesetz vom 19. Juli 1911 RGB. S. 509) in
sechs Büchern und 1805 Paragraphen zusammengefaßt, erneut
erweitert und zugleich tunlichst einheitlich gestaltet worden.
Die Reichsversicherung umfaßt die Kranken-, Unfall= und
Invaliden= sowie Hinterbliebenen-Versicherung.
I. Die Krankenversicherung ist seit 1883 in
Geltung. Es besteht ein gesetzlicher Zwang zur Versicherung
gegen Krankheit im allgemeinen für alle Personen, die ihre
Arbeitskraft in untergeordneter Stellung verwerten. Die RBO.
hat den Versicherungszwang weiter auf alle Personen ausgedehnt,
die der Invaliditätsversicherung unterliegen. Sie umfaßt 1915
über 18 Millionen Menschen. Für die Versicherung bildet
die örtlich abgegrenzte allgemeine Ortskasse die Regel; ergänzend
tritt die Landkrankenkasse hinzu. Daneben bestehen beruflich
gegliederte Orts= und Betriebskassen (namentlich die Knappschafts-
Krankenkassen). Als Leistungen sind Krankenhilfe, Wochengeld
und Sterbegeld vorgesehen. Die Krankenhilfe gewährt freie
ärztliche Behandlung und Arzenei vom Anbeginn der Erkrankung
sowie bei Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeld vom vierten Krank-
heitstage an bis auf 26 Wochen. Es wird in Höhe des
halben Grundlohnes bemessen, der bis auf 5 Mark und stufen-
weise sogar bis 6 Mark täglich festgesetzt werden kann. Das
Wochengeld wird versicherten Wöchnerinnen 8 Wochen lang ge-
währt; beim Ableben eines Versicherten wird ein Sterbegeld in
Höhe des 40fachen täglichen Grundlohnes gezahlt. Der Geld-
wert dieser Leistungen ist auf mindestens ¾ des Durchschnitts-
lohnes des Versicherten zu veranschlagen; die Gewährung des
vollen Tagelohnes wäre ein zu starker Anreiz zu vorgeschütztem
Kranksein (Simulation).
Die Arbeitgeber behalten die Mitgliederbeiträge bei der