3. Die Zentralorgane der Reichsgewalt. (Reichstag.) 55
Seit 1874 entsendet auch das Reichsland Elsaß-Lothringen
15 Abgeordnete zum Reichstage. Eine Vermehrung der Zahl der
Abgeordneten infolge der steigenden Bevölkerung (seit 1871 bis
Ende 1910 von 41 auf 65,5 Millionen) kann nur durch Gesetz
bestimmt werden und ist bisher nicht erfolgt. S. jedoch S. 15/16.
Die Art und Weise, wie die Volksvertreter berufen werden,
heißt Wahl. Diese ist entweder eine unmittelbare (direkte)
durch die wahlberechtigten Wähler selbst oder eine mittel-
dare (indirekte), indem die Wähler (in diesem Falle Ur-
wähler genannt) zunächst Wahlmänner erwählen, durch
welche dann die Wahl der eigentlichen Abgeordneten erfolgt.
Man bezeichnet als aktives Wahlrecht die Wahlberech-
rgung, also die Befugnis zum Wählen, und als passives Wahl-
recht die Wählbarkeit, also die Fähigkeit gewählt zu werden.
Die aktive Wahlberechtigung wird in den Wahlgesetzen der
meisten Staaten von einem bestimmten Steuersatze abhängig
gemacht, so daß diejenigen, welche gar keine Steuern oder
einen geringeren als den vorgesehenen Mindestsatz zahlen,
vom aktiven Wahlrechte ausgeschlossen sind. So sieht das
vreußische Wahlgesetz von 1849 für die mittelbare Wahl
zum Abgeordnetenhause ein Dreiklassensystem vor, das die
Urwähler in Höchst-, Mittel= und Niedrigstbesteuerte einteilt.
(S. das Nähere bei der Preußischen Verfassung.)
Im Deutschen Reiche dagegen besteht, wie auch z. B. in
Frankreich und in der Schweiz, das allgemeine unmittel-
bare, gleiche und geheime Wahlrecht. Das zum Reichs
gesetz erhobene Norddeutsche Wahlgesetz vom 31. Mai 1869
(RGBl. S. 145) entspricht im wesentlichen dem von der
Frankfurter Nationalversammlung (S. 8) im Jahre 1849 be-
chlossenen Wahlgesetze. Es bringt den Grundsatz des allge-
meinen Stimmrechtes rückhaltlos zur Durchführung, indem es
Im § 1 bestimmt, daß jeder (Nord-) Deutsche, welcher das
25. Lebensiahr zurückgelegt hat, in dem Bundesstaate, in