88 II. Verfassung des Deutschen Reiches.
Offiziere seines Truppenteiles zu ernennen. Nunmehr sind die
einzelnen deutschen Fürsten und Freien Städte in ihrer Militär-
hoheit insoweit beschränkt, als der Kaiser als oberster Kriegs-
herr den Höchstkommandierenden eines jeden Truppenteiles sowie
alle Offiziere, welche Truppenteilen mehr als eines Kontingents
vorstehen, und alle Festungskommandanten (außer in Bayern)
ernennt. Ebenso ist die Ernennung der Generale und der General-
stellungen versehenden Offiziere von der jedesmaligen Zu-
stimmung des Kaisers abhängig gemacht. Der Kaiser hat
ferner das Recht, innerhalb des Bundesgebietes Festungen an-
zulegen; er bestimmt den Präsenzstand (d. h. die Stärke
in Friedenszeiten) und die Einteilung der einzelnen Kon-
tingente des Reichsheeres sowie die Ordnung der Landwehr;
er hat das Recht, die Garnisonen innerhalb des Reichs-
gebietes zu verlegen (Dislokationsrecht) und die kriegsbereite
Aufstellung eines jeden Teiles des Kriegsheeres anzuordnen.
Freilich nehmen auch hierbei wiederum Bayern und
Württemberg infolge besonderer Abkommen eine selb-
ständigere Stellung ein. Insbesondere bildet das bayerische
Heer einen in sich geschlossenen Bestandteil des deutschen
Reichsheeres mit selbständiger Verwaltung unter der Militär-
hoheit des Königs von Bayern. Im Kriege steht aber auch
das bayerische Heer unter dem Oberbefehle des Kaisers, und
die bayerischen Truppen sind dem Kaiser im Kriege zu un-
bedingtem Gehorsam verpflichtet, was in den Fahneneid mit
aufgenommen ist. Auch im übrigen ist für eine einheitliche
Gestaltung des ganzen deutschen Kriegsheeres Sorge getragen;
denn auch in Bayern und Württemberg sind die bewährten
Heereseinrichtungen Preußens eingeführt, auch steht dem Kaiser
das Recht jederzeitiger Besichtigungen zu. Die Ausbildungs-
und Dienstvorschriften sind daher gemeinsam; insbesondere ist
die bedeutsame preußische Einrichtung der allgemeinen Wehr-
pflicht, welche seit den Befreiungskriegen besteht und in die