9. Reichskriegswesen. 89
preußische Verfassungsurkunde („Alle Preußen sind wehrpflichtig“
Art. 34) ausdrücklich aufgenommen worden ist, seit 1866 in
ganz Deutschland zur Einführung gelangt (Art. 57).
Die Dienstpflicht war früher durch Artikel 59 der Ver-
fassung auf 12 Jahre, vom 20. bis 32. Lebensjahre, bemessen;
die Möglichkeit, zugleich einen Krieg im Osten und im Westen
des Deutschen Reiches führen zu müssen, hat indessen im Jahre
1888 zu einer Ausdehnung der Dienstpflicht bis zum voll-
endeten 39. Jahre geführt. Somit steht jeder wehrpflichtige
Deutsche vom vollendeten 20. Lebensjahre ab sieben Jahre im
stehenden Heer (drei bei der Fahne, vier in der Reserve), sodann
fünf Jahre in der Landwehr ersten Aufgebots und schließlich
bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem das
39. Lebensjahr vollendet wird, in der Landwehr zweiten Auf-
gebots. Die Landwehr zweiten Aufgebots wird im Frieden
zu Ubungen und Kontrollversammlungen nicht herangezogen.
Um im Kriegsfalle an der Verteidigung des Landes teilzu-
nehmen, besteht außerdem der Landsturm mit zwei Aufgeboten
für alle Wehrpflichtigen zwischen dem 17. und vollendeten 45.
(früher 42.) Jahre, welche weder dem Heere noch der Marine
angehören. Der freiwillige Eintritt zum stehenden Heere ist
schon mit dem 17. Jahre gestattet; die Einjährig-Freiwilligen
dienen nur ein Jahr bei der Fahne. Weitere Anderungen der
Dienstpflicht brachte die 1893 versuchsweise und 1905 endgültig
erfolgte Einführung der zweijährigen aktiven Dienstzeit für
die Fußtruppen und die fahrende Artillerie; für die Kavallerie
und die reitende Artillerie blieb die dreijährige aktive Dienst-
zeit bestehen. Die Dienstzeit in der Reserve ist für die nur
zwei Jahre dienenden Mannschaften um ein Jahr, also auf
fünf Jahre erhöht, dagegen wurde für die im dreijährigen
aktiven Dienste verbliebenen Truppen die Dienstzeit in der
Landwehr ersten Aufgebots auf drei Jahre herabgesetzt.
Der Friedensstand des gemeinsamen Reichsheeres war