Full text: Die Verfassung und Verwaltung des Deutschen Reiches und des Preußischen Staates in gedrängter Darstellung.

10. Reichsfinanzen. 93 
jahres auf dem Wege der Gesetzgebung durch übereinstimmende 
Beschlüsse des Bundesrates und Reichstages alljährlich, also 
auf eine einjährige Dauer, festgestellt werden. Das Rechnungs- 
jahr, das bis 1877 mit dem Kalenderjahr zusammenfiel, läuft 
seitdem wie in Preußen vom 1. April bis 31. März. 
Bei Aufstellung des Haushalts sind zunächst die Ausgaben 
zu ermitteln; dann werden die zu ihrer Deckung erforderlichen Ein- 
nahmen festgestellt. Dabei gelangen in erster Reihe die eigenen 
Einnahmen, welche, wie wir gesehen haben, das Reich be- 
sitzt, zum Ansatz. Zur Bestreitung der gemeinschaftlichen Aus- 
gaben des Reiches dienen daher zunächst, wie Artikel 70 vorsieht, 
die Einnahmen aus Zöllen und gemeinsamen Steuern (S. 61), 
aus den Reichsbahnen, Post und Telegraphie, sowie den übrigen 
Verwaltungszweigen (bes. Reichsbank und Prägung der Reichs- 
münzen). Dazu treten die „reichseigenen“ Einnahmen, welche 
besonders dem Wechselstempel, den Reichsstempelabgaben und 
der Erbschaftssteuer (S. 72—75) entstammen. 
Bis 1911 gehörten hierzu auch die belangreichen Ein- 
nahmen aus dem Reichsinvalidenfonds; dieser war aus der 
französischen Kriegskostenentschädigung mit 561 Mill. JX ge- 
bildet, um den Kriegsinvaliden und deren Hinterbliebenen 
Pensionen zu gewähren. Da der Fonds jetzt völlig aufgebraucht 
ist, sind diese Zahlungen nunmehr aus allgemeinen Reichs- 
mitteln bereitzustellen. 
Soweit alle diese reichseigenen Einnahmen nicht ausreichen, 
haben die Bundesstaaten durch Bundes (Matrikularhbei- 
träge nachzuhelfen, um durch diese aushilfliche (subsidiäre) 
Einnahmequelle das Gleichgewicht im Reichshaushalt herzustellen: 
an sich kann daher im Reiche ein Fehlbetrag (Defizit) niemals 
eintreten. 
Die Bundesbeiträge heißen Matrikularbeiträgc nach 
der ehemaligen Deutschen Reichsmatrikel, einer Urkunde, in 
welcher alle Stände des alten Deutschen Reiches und ihre Zu- 
Schubart, Verfassung 26. Auflage. 7
	        
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