Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

120 Deutschland. 
schen Staatslebens. den berechtigten Ansprüchen des deutschen Volkes auf 
eine seine Machtstellung wirksam vertretende und seine Interessen nach außen 
zur Geltung bringende Centralgewalt durch diese Aufopferung der wichtigsten 
Lebensbedingung ihrer Existenz geholfen wäre, liegt auf der Hand. Dem 
Bedürfnisse des Einzelnen, sich selbst und seine persönliche Entwicklung da- 
durch auf eine höhere Stufe zu heben, daß die mächtigen Hebel eines großen 
und gesunden Staats= und Volkslebens ihm nicht länger versagt bleiben, 
dieser sittlichsten Forderung einer Nation wie ihrer Glieder würde dieses 
Opfer nicht nur nicht zur Befriedigung gereichen, sondern im Gegentheil 
darf mit Recht befürchtet werden, daß auch die heilsamen Früchte verfas- 
sungsmäßig gesicherter Ordnung im einzelnen Heimatsstaate wieder durch 
eine Reihe verwirrender Controversen in Frage gestellt würden. Ferner ist 
zu bedenken zu geben, daß von dem Ausgangspunkte der vorgeschlagenen 
Delegirten-Versammlung nimmermehr in regelmäßiger Weiterentwicklung 
zu einer wirksamen Reform, welche die einzigen einer Centralisation 
bedürfenden Functionen der Staatsthätigkeit, nämlich Vertretung nach außen 
und nationale Vertheidigungsanstalten zu Land und See, ergreifen würde, 
ohne eine Usurpation der Gewalt durch diese Versammlung gelangt werden 
könnte. Alle Theile sind nun aber einig, daß eine solche Gefahr dem deut- 
schen Staatsleben fern gehalten werden muß. 
„Wollte die Bundesreform mit wirksamer Organisation der wirklich dem 
Bunde obliegenden Aufgaben beginnen, so wäre rathsam gewesen, nicht 
einen Gegenstand zu wählen, von dem es zweifelhaft ist, ob er der Com- 
petenz des Bundes unterliegt, sondern einen solchen, der ihr unbestritten 
unterworfen ist. Dahin würden z. B. die Bundessteuern und die Festsetzung 
der Contingentshöhe gerechnet werden können, für welche beide eine wirk- 
same Controle durch eine ständische (am besten freilich mit beschließender, 
nicht blos berathender Befugniß auszurüstende) Versammlung seit lange ge- 
boten erscheint. · 
„Nur dann, wenn die Frage nach dem „Wie“ der beantragten Einrichtung 
(wie allerdings von dem dissentirenden Mitgliede geschieht) mit bewußter 
Ueberzeugung dahin beantwortet wird, daß sich keine Form für die Idee 
der Delegirten-Versammlung finden lasse, deren weitläufiger Apparat irgend 
in einem Verhältniß stehe mit dem von ihr zu erwartenden Nutzen, — nur 
dann erscheint eine Unterlassung dieser näheren Ausführung schon im jetzigen 
Stadium als gerechtfertigt. Eine solche Ansicht kommt denn aber auch mit 
Nothwendigkeit zu dem Ergebnisse, das, was sich in der praktischen Durch- 
führung nicht wohl erproben möchte, auch nicht grundsätzlich festzuhalten.“ 
18. Dec. (Hessen -Darmstadt). Auch die I. Kammer entzieht der 
Regierung die bisherige Vollmacht zu Handels= und Zollverträgen. 
„„ (Frankfurt). Der Senat ernennt eine Commission zu schleu- 
niger Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs. 
22. (Kurhessen). Der Verfassungsausschuß beantragt eine Ge- 
setzesvorlage, welche den Standesherren und der Reichsritterschaft 
wegen der Wichtigkeit der vorliegenden Arbeiten schon in jetziger 
Session der Stände Vertretung gewähre. 
23. „ (Preußen). Eine Versammlung von Nationalvereinsmitgliedern 
in Königsberg beschließt sich dem Vereinsbeschluß bezüglich der 
Reichsverfassung an. 
30. Dec. (Holstein). Die dänische Regierung beruft die holsteinischen 
Stände auf den 24. Januar ein. 
31. „ (Bayern). Eine Depesche des Frhrn. v. Schrenk entspricht 

	        
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