Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

Preußen. 123 
eine ernsten und unausgesetzten Bemühungen, eine zeitgemäße Revision 
der Wehrverfassung   des deutschen Bundes herbeizuführen, haben 
zu meinem Bedauern ein befriedigendes Ergebniß bisher noch nicht gewährt. 
Inzwischen ist meine Regierung bestrebt, im Wege der Vereinbarung mit 
    
einzelnen deutschen Staaten eine größere Gleichmäßigkeit in den militärischen 
Einrichtungen anzubahnen und dadurch die Wehrhaftigkeit Deutschlands zu 
erhöhen. Die in diesem Sinne mit der herzoglich sachsen-koburg-gothaischen 
Regierung abgeschlossene Convention wird Ihnen zur verfassungsmäßigen 
Zustimmung vorgelegt werden. In gleicher Weise widmet meine Regierung 
der wichtigen Angelegenheit der Vertheidigung der deutschen Küsten und der 
Entwickelung unserer Flotte, für welche sich überall ein so erfreuliches 
Streben kund gegeben und durch patriotische Beiträge innerhalb und außer- 
halb Preußens bethätigt hat, ihre unausgesetzte Sorgfalt. Wir beklagen 
die Verluste, welche unserer jungen Marine hoffnungsvolle Kräfte entrissen 
haben. Aber solche Unfälle, die keiner Flotte erspart bleiben, können das 
Gewicht der Gründe, welche eine rasche Erhöhung unserer Wehrkraft zur 
See verlangen, nur vermehren. Der zur Regelung dieser beschleunigten 
Entfaltung bestimmte Gründungsplan unterliegt der abschließenden Be- 
rathung meiner Regierung. Das Bedürfniß einer allgemeinen Reform 
der Bundesverfassung hat neuerlich auch im Kreise der deutschen 
Regierungen von verschiedenen Seiten ausdrückliche Anerkennung gefunden. 
Treu den nationalen Traditionen Preußens wird meine Regierung unab- 
lässig zu Gunsten solcher Reformen zu wirken bemüht sein, welche, den 
wirklichen Machtverhältnissen entsprechend, die Kräfte des deutschen Volks 
energischer zusammenfassen und Preußen in den Stand setzen, den Interessen 
des Gesammtvaterlandes mit erhöhtem Nachdruck förderlich zu werden. Zu 
meinem lebhaften Bedauern ist der Verfassungsstreit in Kurhessen noch 
nicht geschlichtet. Ich will jedoch, selbst den letzten Ereignissen gegenüber, 
an der Hoffnung festhalten, daß den Bemühungen meiner Regierung, welche 
fortwährend auf Wiederherstellung der Verfassung von 1831, unter Ab- 
änderung der den Bundesgesetzen widersprechenden Bestimmungen derselben, 
gerichtet sind, der endliche Erfolg nicht fehlen wird. Meine und die kais. 
österr. Regierung sind mit der k. dänischen Regierung auf deren Wunsch 
in vertrauliche Unterhandlungen eingetreten, um eine vorläufige Grundlage 
für eine Verständigung zwischen dem deutschen Bunde und Dänemark über 
die Frage der Herzogthümer zu gewinnen. Wir halten dabei sowohl 
an dem Bundesrecht als an bestimmten internationalen Vereinbarungen fest, 
und es gereicht mir zur lebhaften Genugthuung, daß hierin das vollste 
Einverständniß nicht nur zwischen mir und dem Kaiser von Oesterreich, 
sondern auch zwischen uns und allen unsern übrigen deutschen Bundes- 
genossen besteht. M. H.! Sie sind berufen worden, im Verein mit meiner 
Regierung die Gesetzgebung, welche in einer großen Zeit begonnen wurde, 
weiter zu führen. Wie jene Reformen bestimmt waren, dem Patriotismus 
des preußischen Volks ein größeres Feld der Bethätigung zu eröffn en 
dadurch     
 dessen Aufschwung vorzubereiten, so erwarte ich von der gegen- 
wärtigen Fortführung jener Gesetzgebung die gleiche Wirkung. Die Ent- 
wickelung unserer Institutionen muß im Dienste der Kraft und der Größe 
unsers Vaterlandes stehen · . :    
   Niemals kann ich zulassen, daß die fortschrei- 
tende  Entfaltung unsers innern Staatslebens das Recht der Krone, die 
 Macht und Sicherheit Preußens in Frage stelle oder gefährde. Die Lage 
Europas fordert einträchtiges Zusammenwirken zwischen mir und meinem 
Volke. Ich zähle auf die patriotische Unterstützung seiner Vertreter.“ 
20.  Jan. 
 . Das Abg.-Haus wählt Grabow zu seinem Präsidenten, und 
 die Abg. Behrend und Bockum-Dolffs (beide von der deutschen 
Fortschrittspartei) zu Vicepräsidenten.
	        
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