Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

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Preußen. 
Amendement des Abg. Reichensperger (katholische Fraction): 
„Das Haus der Abgeordneten erklärt es als dringend geboten, daß die 
Staatsregierung darauf hinwirke, nach Maßgabe der deutschen Bundesgesetze 
und im Einverständniß mit den deutschen Bundesregierungen eine Aus- 
gleichung der hinsichtlich der kurhessischen Verfassungsangelegenheit obwal- 
tenden Differenzen herbeizuführen.“ 
Der Antrag der Commission wird mit 241 gegen 58 Stimmen 
(der kath. und der feudalen Fraction) angenommen. 
14. Febr. Antwort Preußens auf die identischen Noten (s. Deutschland). 
17., 
 
Das Abg.-Haus wählt mit großer Majorität Grabow zu seinem 
definitiven Präsidenten, Behrend und Bockum-Dolffs zu Vicepräsi- 
denten. — 151 Mitglieder stellen einen Antrag auf Anerkennung 
des Königreichs Italien. — 90 Mitglieder beantragen: 
„Das Abg.-Haus wolle beschließen: gegen die kgl. Staatsregierung die 
Erwartung auszusprechen, daß sie nicht länger unterlassen werde, diejenigen 
Anordnungen zu treffen, welche erforderlich sind, um die evangelische 
Landeskirche ohne Verzug in den vollen Besitz der ihr im Artikel 15 der 
Verfassung verbürgten Selbstständigkeit zu setzen.“ Motive: „1) Art. 15 
der Verfassung fordert, daß die evangelische Kirche ihre Angelegenheiten selbst- 
ständig ordne und verwalte; die evangelische Kirche ist aber thatsächlich noch 
immer nicht in den Besitz dieses ihr seit 12 Jahren verbürgten Rechtes ge- 
langt. 2) Das Bestreben des Kultusministerium und der zeitigen Kirchen- 
behörden, diese Selbstständigkeit durch allmälige stufenweise Oktroyirung 
einer Kirchenverfassung zu bewirken, steht im Widerspruch mit dem Art. 15, 
welcher nicht bloß die Verwaltung, sondern auch die „Ordnung“ ihrer An- 
gelegenheiten der Kirche selber überweist und führt überdies, wie die Er- 
fahrung zeigt, nicht zum Ziele. 3) Dem Artikel 15 liegt historisch nach- 
weisbar der Sinn zu Grunde: daß zur Bewirkung der Seldbstständigkeit 
eine eigene kirchliche Organisation geschaffen werden müsse, welche an Stelle 
der bisherigen staatlichen Kirchenbehörden die Verwaltung der kirchlichen 
Angelegenheiten zu übernehmen habe. Die Berufung einer aus Gemeinde- 
wahlen hervorgehenden Repräsentation der evangelischen Landeskirche ist da- 
mals von der kgl. Staatsregierung als der korrekte Weg zu diesem Ziele 
erkannt worden, und muß noch heute als der korrekte erscheinen, da er der 
einzige ist, auf welchem die Kirche ohne Verzug und ohne Verkürzung in 
den Besitz ihres Rechtes zu gelangen vermag. 4) Das Interesse des Staates 
wie das Interesse der Kirche gebieten gleicherweise, daß dem langen In- 
terimistikum mit seinen Nothständen und Rechtsverwirrungen ein Ende ge- 
macht und das verfassungsmäßige Rechtsverhältniß des Staates zur Kirche 
endlich definitiv festgestellt werde. Es eristirt kein Rechtsgrund, noch Rechts- 
titel, aus welchem die Berechtigung hergeleitet werden könnte, dem Staate 
die völlige Befreiung von Kirchensachen und der Kirche den vollen Genuß 
ihrer Selbstständigkeit noch länger vorzuenthalten.“ · 
Die Commission des Abg.-Hauses einigt sich über ihren Antrag 
in der deutschen Frage (s. Deutschland). · 
3. März. Große Nationalvereinsversammlung in Berlin unter dem 
Vorsitze v. Bennigsens. Dieselbe nimmt eine Reihe von Resolutionen 
an und beschließt, dem badischen Minister von Noggenbach ihren 
Dank für seine Denkschrift über die Bundesreformfrage auszu- 
drücken.
	        
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