Preußen. 129
vorgehoben, wie der praktische Werth des Hagen'schen Antrages für die in
der gegenwärtigen Session zu vollziehende Berathung des Staatshaushalts-
etats so gering war, daß das beschlossene stürmische Verfahren. nicht aus
jener Werthschätzung, sondern nur aus der allgemeinen Stimmung erklärt
werden konnte, welche sich der Mehrheit des Hauses der Regierung gegen-
über bemächtigt hatte . . . Angelpunkt und alleinige Lebensbedingung con-
stitutioneller Regierungsform ist aber das gegenseitige Vertrauen der hohen
Faktoren der Staatsgewalt. Indem die Staatsregierung an das Land ap-
pellirt, bleibt sie selbstverständlicher Weise nach wie vor fest entschlossen, mit
den durch das Interesse des Landes gebotenen Reformen vorzugehen. Wie
sie die schwierigste aller Reformen, die Grundsteuerregulirung, in der kurzen
Zeit ihrer Amtsverwaltung zu einem befriedigenden Austrag zu führen ver-
standen hat, glaubt sie auch in Betreff der demnächst beabsichtigten Reform-
maßregeln, die nicht einen so hartnäckigen Widerstand zu überwinden haben
werden, das Vertrauen beanspruchen zu dürfen, daß es ihr nicht an der
Einsicht und der Entschlußkraft fehlen wird, diejenigen Mit-
tel und Wege zu ergreifen, welche den von ihr vorgeschlage-
nen Maßregeln ein en befriedigenden Erfolg zu sichern ge-
eignet sind.“
Die öffentliche Meinung glaubt hieraus schließen zu sollen, daß der libe-
rale Theil des Ministeriums Maßregeln gegen das Herrenhaus zur Bedin-
gung seines ferneren Verbleibens gestellt habe.
12. März. Erklärung von 130 Abg. der Majorität des Abg.-Hauses in
dem Antrage Hagen über die Lage der Dinge und die Motive ih-
rer Handlungsweise bezüglich jenes Beschlusses:
„Als wir in das Haus der Abgeordneten traten, waren wir entschlossen,
mit großer Mäßigung alle Schritte zu vermeiden, welche zu Zerwürfnissen
innerhalb der liberalen Mehrheit des Hauses oder zwischen der Volksver-
tretung und der Regierung Sr. Maj. des Königs führen könnten, aber
ebenso entschlossen, treu dem empfangenen Mandate des preußischen Volkes,
das verfassungsmäßige Recht seiner Vertreter zu wahren, und keinem Con-
flicte auszuweichen, der uns auf diesem Wege aufgenöthigt würde. Wir
glauben unsere Pflicht erfüllt zu haben. Die Weise, in welcher bisher der-
Staatshaushalt geordnet wurde, machte das wesentlichste Recht der
Volksvertretung, das Recht, die Einnahmen und Ausgaben des Staates zu
bewilligen und zu überwachen, fast bedeutungslos. Denn nach der
Annahme der letzten Jahre und nach der Auffassung der Regierung, welche
sie in dem Gesetzentwurf über die Oberrechnungskammer geltend gemacht
hat, ist dieselbe der Volksvertretung gegenüber bei der Verwendung der öf-
fentlichen Gelder nur an die allgemeinen Titel und Summen gebunden,
welche in den Hauptetat des Staatshaushalts aufgenommen und in der
Gesetzsammlung veröffentlicht werden. Diese sind aber in den wichtigsten
und kostspiellgsten Verwaltungszweigen, vor Allem in der Militärverwaltung,
so groß und umfassend, daß sie den Ministern einen der Controle des Ab-
geordnetenhauses fast gänzlich entzogenen Spielraum und die Machtvollkom-
menheit gewähren, auch ohne und gegen den Willen der Volksvertretung
tiefeingreifende Einrichtungen zu treffen oder aufrecht zu erhalten. Um diese
scheinbare Feststellung des Budgets zu einer wirklichen zu machen,
führten wir einen Beschluß des Hauses der Abgeordneten herbei, nach
welchem nicht nur die Nothwendigkeit einer specielleren Budgetbewilligung
für die Zukunft ausgesprochen ward, sondern auch schon für das laufende
Jahr in den bindenden Hauptetat diejenigen Summen aufgenommen wer-
den sollten, für welche dies zur pflichtmäßigen Ausübung der verfassungs-
mäßigen Controle erforderlich und nach der Einrichtung des Kassen= und
9