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Preußen.
reichen. Sein unmittelbarer Einfluß auf diesen Gebieten ist gering. Seine
Einwirkung wird mit Eifersucht und Mißtrauen betrachtet. Aber eine ent-
scheidende Macht hat es in der Controle über die Geldmittel
des Landes. Hier hat es daher die unabweisliche Pflicht, diese Controle
unbeirrt nach bestem Wissen und Gewissen zu üben, sie nicht zu einem lee-
ren Schein werden zu lassen, durch ihre Handhabung aber auch auf andere
Reformen hinzuwirken. Die Regierung erhebt noch überall den Anspruch,
ihren Willen allein entscheiden zu sehen, macht noch überall den absolu-
tistischen Vorbehalt, ihrerseits jedes Zugeständniß an die Volksvertretung zu
versagen, keine Schranke ihres Gutbefindens anzuerkennen, die Nachgiebig-
keit immer von der anderen Seite zu verlangen. Als sie in der Annahme
eines Antrages, welcher dem verfassungsmäßigen Rechte der Bewilligung
und Ueberwachung der Staatsgelder Wirksamkeit und Nachdruck geben sollte,
ein Vorzeichen fand, daß die Mehrheit des Abgeordnetenhauses entschlossen
war, sich nicht von der Regierung abhängig zu machen, sondern selbst-
ständig in den Fragen zu entscheiden, welche seiner verfassungsmäßigen
Beschlußnahme unterliegen, da löste sie das Haus auf. Sie ließ es nicht
zur sachlichen Entscheidung über die Militärvorlagen kommen, für
welche sie in diesem Hause keine unbedingte Zustimmung mehr erwartete.
Die erste wichtige Angelegenheit der inneren Politik, welche nach der
schwerfälligen Geschäftsordnung des Hauses zur Abstimmung gelangte, ver-
einigte gegen die vertröstenden Wünsche der Regierung die Mehrheit der Ab-
geordneten und zeigte sie entschlossen, rückhaltslos nach dem zu handeln, was
sie als ihre Pflicht erkannte. Ein längeres Zögern war hier nicht zulässig.
Denn einmal drohte die Gesetzesvorlage über die Oberrechnungskammer das
unzureichende Herkommen, welches die Bewilligung der Geldmittel durch die
Volksvertretung fast bedeutungslos machte, für die Zukunft gesetzlich zu be-
festigen. Und andererseits durfte eine strenge Festsetzung der Militär-
ausgaben nicht länger hinausgeschoben werden, wenn nicht die Lasten
der dreijährigen Dienstzeit und des übermäßigen Militärauf-
wandes, welche jeder erwünschten Verbesserung auf andern Gebieten hin-
dernd entgegenstehen, unabänderlich werden sollten. Wir glauben, daß die
allgemeine Wehrpflicht zur vollständigen Entwickelung der Wehrkraft des
Volkes nur dann durchführbar ist, wenn neben anderen Ersparungen durch
die Einführung der zweijährigen Dienstzeit für die Infanterie
unter Beibehaltung der volksthümlichen Grundlagen des
Heeres die Opfer an Geld und Menschenkräften erleichtert werden. Sollte
die Verfassung nur dienen, um Geld und Soldaten in größerem Maße zu
beschaffen, als es ohne sie jemals möglich gewesen wäre, so hätte sie in der
That wenig Werth. Wir meinen, daß diejenigen der Krone und dem Volke
gleich schlecht dienen, welche beide in Conflicte bringen. Wir meinen, daß
die wahren Interessen beider in Preußen untrennbar zusammenfallen, und
daß man nicht das Königthum bekämpft, wenn man eine Anforderung der
Regierung ablehnen zu müssen glaubt. Die Regierung mochte mit einigem
Rechte annehmen, daß die bedeutenden Verhandlungen, welche in der nächsten
Zeit bevorstanden, den Einfluß und das Ansehen der liberalen Mehrheit im
Lande stärken und die Aussichten auf ministerielle Neuwahlen mindern wür-
den. Daher beeilte sie die Auflösung, ohne auch nur eine vorläufige Be-
willigung der Staatsausgaben zu verlangen. Wir aber hoffen, das preußische
Volk wird sich über die Lage der Dinge nicht täuschen. Im vorigen Jahre
hat es dem Aufrufe vom 29. September 1861 gemäß eine Mehrheit von
Abgeordneten gewählt, die den Standpunkt eines wahren, verfassungsmäßi-
gen Constitutionalismus rückhaltlos vertraten. Wir erwarten, es wird jetzt
dasselbe thun. — Die Minister haben Berufung an das Volk eingelegt,
durch die Wahl neuer Vertreter seine Meinung kund zu geben. Wir hoffen
guf einen unzweideutigen Ausdruck derselben. Die Sache liegt einfach. Es