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Preußen.
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hat Sorge zu tragen, daß die ausgesprochenen Grundsätze bei den bevor-
stehenden Wahlen zur Geltung kommen, dann darf ich mit Zuversicht er-
warten, daß alle Wähler, welche Mir und Meinem Hause treu anhangen,
Meine Regierung mit vereinigter Kraft unterstützen werden. Ich beauftrage
das Staatsministerium hiernach, die Behörden mit Anweisungen zu ver-
sehen und allen Meinen Beamten ihre besondere Pflicht in Erinnerung zu
bringen“.
20. März. Auslassung der halboffiziellen Stern-Ztg. über den einge-
tretenen Ministerwechsel und die Lage der Dinge.
„ Die k. Entscheidung war ein Akt tiefinnerster Nothwendigkeit,
die sich aus der allgemeinen politischen Lage, wie sie durch die jüngsten Ab-
geordneten-Wahlen herbeigeführt worden, mit unverkennbarer Deutlichkeit
herausstellte. Wir haben nicht die Absicht, hier die ungünstige Zusammen-
setzung und die beklagenswerthe Haltung des jüngsten Abgeordnetenhauses
näher zu erörtern; aber wir müssen offen die Ueberzeugung aussprechen, daß
die Kammer gewissermaßen mit der Bestimmung geboren war, ein Zerwürf-
niß mit der Regierung hervorzurufen, und daß sie mit erstaunlichem Eifer
sich der Aufgabe gewidmet hat, die Unmöglichkeit eines gedeihlichen Fort-
schrittes auf der bisher verfolgten Bahn jedem Unbefangenen zur klarsten
Erkenntniß zu bringen. Schon aus den Wahlvorgängen konnte man auf
die Bestimmung und Richtung des neuen Abgeordnetenhauses schließen.
Offenbarten sich doch in der Masse der Wählerschaften alle Zeichen einer
unheilvollen Verblendung, welche die Aussicht auf ein besonnenes
Zusammenwirken mit der Regierung für die wichtigsten Angelegenheiten des
Landes von vorn herein ausschloß: leidenschaftliche Empfänglichkeit für alle
Kundgebungen, welche ohne Rücksicht auf rechtliches Bedenken und thatsäch-
liche Schwierigkeiten augenblicklich unerreichbare Ziele oder praktisch unaus-
führbare Ideale in den Vordergrund der Tagespolitik stellten; merkliche Be-
vorzugung der Männer, deren politisches Programm, von allen Ueberliefe-
rungen des monarchischen Preußens absehend, an die Bewegung der Jahre
1848 und 1849 anzuknüpfen suchte; dagegen mißtrauische Voreingenommen-
heit gegen die Freunde der Regierung, selbst wenn denselben nicht nur ge-
diegene Sachkenntniß und praktische Erfahrung, sondern auch allgemein an-
erkannte Verdienste um die Entwickelung unseres Verfassungslebens zur Seite
standen; endlich der wie nach übereinstimmender Parole organisirte Wider-
spruch gegen die bereits eingeleitete Heeresreform, welche von der Weisheit
des Monarchen, in Uebereinstimmung mit allen seinen Räthen und mit den
urtheilfähigsten Fachmännern, als die unerläßliche Bedingung für die Macht-
stellung Preußens erkannt worden war. Unter solchen Auspicien kam
das Abgeordnetenhaus zu Stande, und es mußte dem Fluch seiner Ge-
burt erliegen.. Die Haltung der Mehrheit des Abgeordnetenhauses
gegen die Räthe der Krone (auch besser gesinnte Elemente ließen sich von
der Fortschrittspartei fortreißen) war die des systematischen Mißtrauens und
schien ganz das Bewußtsein verloren zu haben, daß zu jedem Akte der legis-
lativen Thätigkeit die Uebereinstimmung der Regierung mit den Beschlüssen
der Landesvertretung erforderlich ist. So griff sie auch von vornherein in
das Gebiet der auswärtigen Politik hinüber, erging sich in leidenschaftlichen
Debatten und nahm den Anlauf zu Resolutionen, welche den wohlerwogenen
Bestrebungen der Regierung nur Schwierigkeiten bereiten konnten. Die Er-
örterung der Finanzfragen schien einer geflissentlichen Verzögerung anheim
zu fallen, und man mußte mehr und mehr der Vermuthung Raum geben,
daß die Opposition gegen die Heeresvorlagen vielmehr auf andere allgemein
politische Beweggründe von weittragender Bedeutung sich stütze, als auf die
spezifischen, aus gewissenhafter Beurtheilung der Sache selbst hergeleiteten
Bedenken. Die Beschwerden über angeblich erdrückende Steuerlasten, die