Preussen. 139
28. März. Der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin be-
schließen übereinstimmend, die der Stadt angehörigen Staatsobli-
gationen nicht zu convertiren.
29. „ Abschluß des Handelsvertrags mit Frankreich unter Vorbehalt
der Ratifikation sämmtlicher Zollvereinsregierungen.
31. „ Ansprache des Centralwahlcomité der Fortschrittspartei gegen
den Wahlerlaß des Ministers des Innern:
„In den Erlassen werden keine einzelnen Fragen berührt, diese vielmehr
für untergeordnet erklärt und statt dessen die Unterstützung aller conservativen
Elemente aufgerufen, um die Rechte der Krone zu wahren und nicht zuzu-
geben, daß der Kraft des königlichen Regiments zu Gunsten einer sogenann-
ten parlamentarischen Regierung Abbruch geschehe, oder daß der Schwer-
punkt der staatlichen Gewalt von der Krone in die Volksvertretung verlegt
werde. Wir möchten wissen, was geschehen ist, um die Krone in Gefahr
erklären zu können. Wir möchten wissen, welche Artikel der Verfassung das
aufgelöste Abgeordnetenhaus verletzt, welche Rechte es angegriffen haben soll.
Wie die Kreuzzeitungspartei stets gethan, unterscheidet das Ministerium nur
zwei Parteien im Lande: die verfassungstreue, conservative und die angeb-
lich verfassungsfeindliche, demokratische, unter welchem Namen sie sich auch
maskiren möge. Nach der jetzigen offiziellen Auffassung scheint es, daß
jeder als ein Revolutionär und als ein Gegner des Königthums betrachtet
werden soll, der nicht einfach den ministeriellen Militärvorlagen und Bud-
getaufstellungen zustimmt. Uns scheint es. nicht wohlgethan, die gesetzlich be-
rufenen Wähler und Abgeordneten des preußischen Volkes nach ihrer politi-
schen Gesinnung in Wohlmeinende und Uebelwollende, in Verfassungsfreunde
und Verfassungsfeinde zu scheiden. Niemand denkt daran, die ver-
fassungsmäßigen Rechte der Krone anzutasten. Aber darum
handelt es sich, ob neben der großen und unzweifelhaften Macht der Re-
gierung das verfassungsmäßige Recht der Volksvertretung
irgend eine Bedeutung haben soll, oder nicht. Soll das Abgeordnetenhaus
nur Duldung genießen, so lange es „ja“ sagt, und gesetzwidriger Uebergriffe
geziehen werden, sobald es „nein“ sagt, dann hat unsere Verfassung
keinen Sinn. Seitdem Preußen in die Reihe der constitutionellen Staa-
ten getreten ist, hat die Volksvertretung verfassungsmäßig über Gesetze, Ab-
gaben und Verwendung der Staatsmittel zu beschließen, über alle wichtigen
Angelegenheiten des Landes ihren Rath vor den Thron zu bringen. Es ist
kein Vergehen gegen die Krone und kein Eingriff in ihre Rechte, Anforde-
rungen der Regierung abzulehnen oder zu begrenzen, über deren Bewilligung
die Volksvertretung nach Pflicht und Gewissen zu entscheiden hat. Die Re-
gierung nimmt an, die letzten Wahlen seien das Resultat einer unheilvollen
Verblendung, die Frucht der Uebereilung, die Folge überraschender Agitatio-
nen und Verständigungen gewesen, ihr Ergebniß entspreche nicht der wahren
Meinung des Landes. Nach unserer Ueberzeugung sind die Wahlen des
vorigen Jahres aus dem allgemeinen und wohlbegründeten Gefühl hervor-
gegangen, daß schon die vorige Regierung und die Mehrheit der früheren
Abgeordneten zu langsam und zu ungenügend für die nothwendigen Refor-
men sorgten. Jetzt scheint die Erhaltung des Bestehenden zur einzigen Staats-
weisheit werden zu sollen. Aber wahrhaft conservativ sind nicht diejenigen,
welche unhaltbare und widerspruchsvolle Einrichtungen im Staate fortbestehen
lassen, sondern die, welche den Bau der Verfassung endlich zu vollenden
streben, um eine schwankende Uebergangszeit abzuschließen und einen festen
Boden zu gewinnen. Preußen steht abermals an einem Scheide-
wege. Wir müssen uns wenden nach rückwärts oder nach vorwärts, viel-