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Preussen.
leicht für lange Zeit. Wir hoffen, das preußische Volk wird fest und be-
sonnen sein Recht üben und durch die neuen Wahlen erhärten, daß es nicht
in augenblicklicher Erregung, sondern in ernster Entschlossenheit die freiheit-
liche Entwickelung Preußens will. Ein entschiedenes Festhalten an dem ver-
fassungsmäßigen Recht, an der Wahrheit der constitutionellen Einrichtungen,
an der Nothwendigkeit des Fortschritts wird die letzten Aussichten der Re-
action zerstören und die Einigkeit zwischen Volk und Regierung wieder her-
stellen, welche nur zum Verderben des Vaterlandes unterbrochen werden
kann“.
4. April. Rector und Senat der Universität Berlin protestiren ein-
stimmig gegen das auch an sie gerichtete Wahlmanifest des Cultus-
ministers: "
„ Es liegt nicht in unserm Berufe, den Circularerlaß des Herrn
Ministers des Innern, insoweit derselbe für die seinem Ressort untergebenen
Beamten bestimmt ist, einer Prüfung zu unterziehen und überhaupt die
Frage zu erörtern, ob und inwieweit die Verwaltungsbeamten bei Ausübung
eines allgemeinen staatsbürgerlichen Rechts durch Anordnung ihrer vorge-
setzten Dienstbehörden gebunden werden und ob eine solche Einwirkung auf
die Wahl zum Abgeordnetenhause als heilsam zu betrachten ist. Aber wir
halten uns zur Wahrung der corporativen Stellung der Universität, deren
Vertretung uns anvertraut ist, und der persönlichen Unabhängigkeit ihrer
einzelnen Mitglieder zur Abgabe der Erklärung berechtigt und verpflichtet,
daß wir das vorgesetzte hohe Ministerium nicht für befugt erachten können,
die Mitglieder des akademischen Lehrkörpers bei Ausübung des politischen
Wahlrechts in einer Weise zu beschränken, wie der Herr Minister des Innern
das in Beziehung auf die Beamten seines Ressorts gethan hat. Ew.
Exc. wollen uns in dieser ernsten Zeit das freimüthige Wort gestatten,
daß wir den Kampf, der gegenwärtig die Gemüther in Preußen bewegt,
nicht in dem Gegensatz des Königthums und der Demokratie
ausgedrückt finden. Aber auch wenn es sich so verhielte, sind wir doch
der festen Ueberzeugung, daß dieser Gegensatz nicht dadurch zu Gunsten eines
starken Königthums und einer verfassungsmäßigen Freiheit werde gelöst werden,
daß eine in Preußen bis dahin nicht geübte Einwirkung auf die Wahlen
zum Abgeordnetenhause von Seiten der königlichen Staatsregierung versucht
wird. Wir glauben vielmehr im Sinne der echten monarchischen Treue und
einer wahrhaft conservativen Politik zu handeln, wenn wir über den Wechsel
und die Bewegung des gerade vorwaltenden Kampfes hinaus die politische
Gesinnung, welche nur auf der reinen gewissenhaften Ueberzeugung ruht,
und deren unabhängige und freie Bethätigung vertreten. Daß der Friedrich-
Wilhelms-Universität diese Unabhängigkeit und Freiheit auch nicht dem
Scheine nach verkümmert werde, halten wir für eine wesentliche Bedingung
ihres erfolgreichen Wirkens und unsere Pflicht ist es, diese unsere Ueberzeu-
gung in aller Ehrerbietung, aber freimüthig und entschieden auszusprechen.
Demnach ersuchen wir Ew. Exc., ergebenst zu gestatten, daß die Universität
dem Erlaß vom 26. d. M. keine weitere Folge gebe“.
Auch die Universität Bonn protestirt gegen den Wahlerlaß des Mi-
nisters: „Wir sind von der Ueberzeugung erfüllt, daß wir innerhalb unserer
amtlichen Stellung an der Universität allen derselben entsprechenden Weisun-
gen der vorgesetzten Behörde zu folgen haben, dagegen in unserer Eigenschaft
als Staatsbürger durch den sowohl Sr. Maj. dem Könige, als auch
auf die Verfassung geleisteten Eid verpflichtet sind, als Urwähler, Wahl-
männer oder Abgeordnete unsere Handlungsweise ausschließlich durch
unsere gewissenhafte Ueberzeugung von dem, was das Wohl des Königs und
des Staates erheischt, bestimmen zu lassen“.