Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

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Preussen. 
leicht für lange Zeit. Wir hoffen, das preußische Volk wird fest und be- 
sonnen sein Recht üben und durch die neuen Wahlen erhärten, daß es nicht 
in augenblicklicher Erregung, sondern in ernster Entschlossenheit die freiheit- 
liche Entwickelung Preußens will. Ein entschiedenes Festhalten an dem ver- 
fassungsmäßigen Recht, an der Wahrheit der constitutionellen Einrichtungen, 
an der Nothwendigkeit des Fortschritts wird die letzten Aussichten der Re- 
action zerstören und die Einigkeit zwischen Volk und Regierung wieder her- 
stellen, welche nur zum Verderben des Vaterlandes unterbrochen werden 
kann“. 
4. April. Rector und Senat der Universität Berlin protestiren ein- 
stimmig gegen das auch an sie gerichtete Wahlmanifest des Cultus- 
ministers: " 
„ Es liegt nicht in unserm Berufe, den Circularerlaß des Herrn 
Ministers des Innern, insoweit derselbe für die seinem Ressort untergebenen 
Beamten bestimmt ist, einer Prüfung zu unterziehen und überhaupt die 
Frage zu erörtern, ob und inwieweit die Verwaltungsbeamten bei Ausübung 
eines allgemeinen staatsbürgerlichen Rechts durch Anordnung ihrer vorge- 
setzten Dienstbehörden gebunden werden und ob eine solche Einwirkung auf 
die Wahl zum Abgeordnetenhause als heilsam zu betrachten ist. Aber wir 
halten uns zur Wahrung der corporativen Stellung der Universität, deren 
Vertretung uns anvertraut ist, und der persönlichen Unabhängigkeit ihrer 
einzelnen Mitglieder zur Abgabe der Erklärung berechtigt und verpflichtet, 
daß wir das vorgesetzte hohe Ministerium nicht für befugt erachten können, 
die Mitglieder des akademischen Lehrkörpers bei Ausübung des politischen 
Wahlrechts in einer Weise zu beschränken, wie der Herr Minister des Innern 
das in Beziehung auf die Beamten seines Ressorts gethan hat. Ew. 
Exc. wollen uns in dieser ernsten Zeit das freimüthige Wort gestatten, 
daß wir den Kampf, der gegenwärtig die Gemüther in Preußen bewegt, 
nicht in dem Gegensatz des Königthums und der Demokratie 
ausgedrückt finden. Aber auch wenn es sich so verhielte, sind wir doch 
der festen Ueberzeugung, daß dieser Gegensatz nicht dadurch zu Gunsten eines 
starken Königthums und einer verfassungsmäßigen Freiheit werde gelöst werden, 
daß eine in Preußen bis dahin nicht geübte Einwirkung auf die Wahlen 
zum Abgeordnetenhause von Seiten der königlichen Staatsregierung versucht 
wird. Wir glauben vielmehr im Sinne der echten monarchischen Treue und 
einer wahrhaft conservativen Politik zu handeln, wenn wir über den Wechsel 
und die Bewegung des gerade vorwaltenden Kampfes hinaus die politische 
Gesinnung, welche nur auf der reinen gewissenhaften Ueberzeugung ruht, 
und deren unabhängige und freie Bethätigung vertreten. Daß der Friedrich- 
Wilhelms-Universität diese Unabhängigkeit und Freiheit auch nicht dem 
Scheine nach verkümmert werde, halten wir für eine wesentliche Bedingung 
ihres erfolgreichen Wirkens und unsere Pflicht ist es, diese unsere Ueberzeu- 
gung in aller Ehrerbietung, aber freimüthig und entschieden auszusprechen. 
Demnach ersuchen wir Ew. Exc., ergebenst zu gestatten, daß die Universität 
dem Erlaß vom 26. d. M. keine weitere Folge gebe“. 
Auch die Universität Bonn protestirt gegen den Wahlerlaß des Mi- 
nisters: „Wir sind von der Ueberzeugung erfüllt, daß wir innerhalb unserer 
amtlichen Stellung an der Universität allen derselben entsprechenden Weisun- 
gen der vorgesetzten Behörde zu folgen haben, dagegen in unserer Eigenschaft 
als Staatsbürger durch den sowohl Sr. Maj. dem Könige, als auch 
auf die Verfassung geleisteten Eid verpflichtet sind, als Urwähler, Wahl- 
männer oder Abgeordnete unsere Handlungsweise ausschließlich durch 
unsere gewissenhafte Ueberzeugung von dem, was das Wohl des Königs und 
des Staates erheischt, bestimmen zu lassen“.
	        
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