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lichen und politischen Rechte vom Religionsbekenntnisse.
9) Durch das religiöse Bekenntniß ist der Genuß der bürgerlichen und po-
litischen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den öffentlichen Pflichten
darf kein Religionsbekenntniß Abbruch thun. 10) Die Religionsverschieden-
heit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. 11) Die Verschiedenheit des Re-
ligionsbekenntnisses zwischen Kindern und deren Eltern oder sonst zu ihrer
Erziehung Berufenen benimmt diesen die ihnen wegen der Erziehung zu-
stehenden Rechte nicht. 12) Jedermann kann insbesondere ohne Unterschied
der Religion in den verschiedenen Ländern sich aufhalten und seinen Wohn-
sitz nehmen, Erwerb und Nahrung suchen, sowie die Zuständigkeit und das
Bürgerrecht in einer Gemeinde erlangen. Auch ist Jedermann ohne Rück-
sicht auf seine Religion fähig, in den verschiedenen Ländern Besitz und Ei-
genthum von unbeweglichen wie beweglichen Gütern, und was immer für
Rechte in Ansehung derselben zu erwerben. 13) Die Anhänger der verschic-
denen Religionen haben gleiche rechtliche Fähigkeit zur Erlangung öffentlicher
Würden, Aemter und Bedienungen. 14) Der Ed ist von Jedermann ohne
Rücksicht auf sein Neligionsbekenntniß mit der Formel: „So wahr mir
Gott helfe“, zu schwören. Diejenigen, welchen ihr Religionsbekenntniß ei-
nen Eid überhaupt nicht gestattet, haben mit gleicher Wirkung die Ver-
sicherung durch Handschlag zu bekräftigen.
II. Kirchen= und Religionsgenossenschaften. 1. Unterab-
schnitt. Anerkennung. 15) Eine religiöse Gemeinschaft muß, um
rechtlich zu bestehen und die den Kirchen und Religionsgenossenschaften kraft
dieses Gesetzes eingeräumten Rechte zu genießen, gesetzlich auerkannt sein.
16) Unter der Bedingung der gesetzlichen Anerkennung ist den Staatsbür-
gern die Freiheit zur Vereinigung in rellgiöse Gemeinschaften gewährleistet.
17) Die gesetzliche Anerkennung kann einer religiösen Gemeinschaft verwei-
gert oder entzogen werden, wenn und inwieserne Lehre, Verfassung oder
Uebung derselben dem öffentlichen Wohle schädlich oder gefährlich sich zeigt.
2. Unterabschnitt. Rechte und Verbindlichkeiten. 1. Cap. Im
Allgemeinen. 18) Eine jede Kirche und Religionsgenossenschaft hat das
Recht der öffentlichen Religionsübung, vorbehaltlich jedoch der nöthigen Maß-
regeln zur Sicherung der öffentlichen Ruhe und Ordnung. 19) Der Staat
nimmt auf die blos den Glauben und das Gewissen betreffenden Gegen-
stände einer Religion keinen Einfluß, vorbehaltlich der im Art. 17 erwähn-
ten Verweigerung und Entziehung der Anerkennung einer Kirche und Re-
ligionsgenossenschaft. 20) Die Kirchen= und Religionsgenossenschaften ord-
nen und verwalten ihre Angelegenheiten selbstständig und bleiben im Besitze
und Genusse der für ihre Cultus-, Unterrichts= und Wohlthätigkeitszwecke
bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde. 21) Kirchen= und Religions-
genossenschaften sind den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. 22) Dem
Staate steht das Recht zu, auch in Religionsangelegenheiten, welche und
insoweit sie das öffentliche Interesse berühren, oder mit bürgerlichen Rechts-
solgen in Verbindung stehen, Anordnungen zu erlassen. 23) Allen Kirchen-
und Religionsgenossenschaften ist vom Gesetze gleiches Recht verliehen. Es
gibt keine durch den Staat bevorrechtete Religion. 24) Dem Glauben, dem
Gottesdienste und den Einrichtungen jeder Kirche und Religionsgenossenschaft
ebenso wie ihren Oberen und Religionsdienern in Uebung ihres Amtes
kommt gleichmäßiger Schutz gegen Verachtung oder Herabsetzung und für
Aufrechthaltung des gebührenden Ansehens und der entsprechenden Ehre zu.
Art und Maß dieses Schutzes bestimmen die Strafgesetze. Der durch diesel-
ben einer Religion vor den übrigen zugewendete besondere Schutz hat auf-
zuhören. 25) Kirchen= und Religionsgenossenschaften genießen nach außen
die Rechte von Vereinen und Körperschaften mit den entsprechenden Ver-
pflichtungen. Das Verhältniß und der Verkehr zwischen den einzelnen
Kirchen= und Religionsgenossenschaften ist daher nach den diesfälligen all-
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