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Orsterreich.
nach unserer Ansicht der König Otto und seine Familie legitime Rechte
haben. Daher sind wir denn auch nicht in der Lage, diesem oder jenem
Fürsten, der der Wahl der griechischen Nation von einer der Mächte
empfohlen werden könnte, einen Vorzug einzuräumen.“ Uebergehend auf
die enge Verbindung zwischen der griechischen und der orientalischen Frage
und anerkennend, daß die Begrenzung der revolutionären Bewegung inner-
halb des griechischen Gebiets dem Einfluß der Schutzmächte zuzuschreiben,
führt die Depesche fort: „Aber ist die nachsichtige Haltung der Schutzmächte
gegenüber der griechischen Revolution nicht vielleicht geeignet, die Eroberungs-
wünsche und Tendenzen der griechischen Nation eher zu ermuthigen als zu
beruhigen?“"“ Endlich gibt Graf Rechberg den Schutzmächten Griechenlands
folgenden positiven Rath: „Eine kategorische Erklärung, daß das Königreich
Griechenland in den von den Verträgen ihm vorgezeichneten Grenzen auf-
recht erhalten werden muß, würde uns als sehr angemessen erscheinen. Man
würde dadurch neuen Verwicklungen vorbeugen, welche jede der Mächte im
snteresse der Aufrechthaltung des allgemeinen Friedens zu vermeiden wün-
schen muß.“
15./16. Dez. Beide Häuser des Reichsraths genehmigen die Bankacte
18.
nach den Anträgen der gemischten Commission.
„ Schluß der Session des Reichsraths. Thronrede des Kaisers:
„ . Mit Worten Meines kaiserlichen Vertrauens habe Ich Sie be-
grüßt, als Ich Sie zum Beginne eines Werkes um Mich versammelte, das
mit Gottes Hilfe Oesterreichs Wohlfahrt dauernd begründen soll. Von den
Segenswünschen Meiner treuen Völker begleitet, sind Sie damals an die
Aufgabe geschritten, welche Ich durch die mit dem Diplom vom 20. Okt.
1860 und mit dem Grundgesetze vom 26. Febr. des verflossenen Jahres ins
Leben gerufenen Institutionen in Ihre Hände gelegt habe. In dem gegen-
wärtigen Augenblicke, in welchem Ich die erste Session des Reichsrathes
schließe, spreche ich es mit Befriedigung aus: die Erwartung, der Ich in
jener Stunde Ansdruck verliehen, ist nicht getäuscht, Meine Zuversicht auf
das Gedeihen des mit gemeinsamer Kraft unternommenen Werkes befestigt
worden.. Mächtig gehoben hat sich das Vertrauen auf die Kraft
Oesterreichs. Sein entschlossenes Vorschreiten auf neuen Bahnen fried-
licher Entwicklung hat ihm die Achtung der Nationen gesichert und die Sym-
pathien befreundeter Staaten mit neuer Wärme belebt. Groß und schwierig
war die Aufgabe, die Meinem Reichsrathe gestellt war. Mit entschlossenem
Ernste und mit richtigem Verständnisse sind Sie an die Lösung gegangen.
Sie haben das innerhalb der Grenzen Ihrer Wirksamkeit Erreichbare mit
klarem Blicke erkannt und dafür, daß es erreicht wurde, im Vereine mit
Meiner Regierung Ihre volle Kraft eingesetzt. Schon ist auf verfassungs-
mäßigem Wege eine Reihe wichtiger Gesetze zu Stande gekommen. Sowie
die Freiheit Ihrer Berathungen und der unverkümmerte Ausdruck Ihrer in-
dividuellen Anschauung, ebenso wurde auch die Kundgebung der öffentlichen
Meinung, insoferne g4H durch den Mund der Presse spricht, unter den
Schutz der Gesetze gestellt, und der persönlichen Freiheit kräftigere Bürgschaft
verliehen. Die Annahme eines neuen Handelsgesetzbuches, das schon
seiner innern Vorzüge wegen empfehlenswerth erschien, und in den an-
grenzenden deutschen Bundesstaaten Gesetzeskraft erhielt, wird nicht verfehlen,
den gemeinsamen Interessen die wünschenswerthe Förderung zu gewähren.
Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der einberufenen Landtage sein, auf
Grundlage der von Ihnen angenommenen grundsätzlichen Bestimmungen zum
Aufbau des Gemeindeorganismus in Meinen Königreichen und Län-
dern mitzuwirken. Die Ordnung des Staatshaushaltes nach allen Rich-
tungen hin hat Ihre besondere Sorgfalt in Anspruch genommen. Als Ich,