Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

Rom. 297 
aller Katholiken den lebhaftesten Dank abstatten. Wahrlich, wir bekennen, 
daß die weltliche Herrschaft des heiligen Stuhls eine Nothwen- 
digkeit und durch den klaren Willen der göttlichen Vorsehung eingerichtet 
worden ist; wir zögern nicht, zu erklären, daß in dem gegenwärtigen Zu- 
stande der menschlichen Dinge diese weltliche Souveränetät für das Heil der 
Kirche und für die freie Regierung der Seelen durchaus erfordert wird. 
Sicherlich mußte es so sein, daß das römische Oberhaupt der ganzen Kirche 
weder der Unterthan noch der Gast irgend eines Fürsten war, sondern, auf 
seinem Throne sitzend und Herr in seiner Domäne und seinem eigenen Kö- 
nigreich, kein anderes Recht anerkannte, als das seinige, und so in edler, 
friedlicher und angenehmer Freiheit den katholischen Glaunben schützen, und 
die ganze christliche Republik vertheidigen, leiten und regieren konnte. Wer 
könnte nun in Abrede stellen, daß im Streit der menschlichen Dinge, Mei- 
nungen und Einrichtungen, mitten Iin Europa zwischen den drei Kontinenten 
der alten Welt, ein heiliger Ort sein muß, ein erhabener Stuhl, von dem 
sich, abwechselnd für die Völker und für die Fürsten eine große und mäch- 
tige Stimme erhebt, die Stimme der Gerechtigkeit und der Freiheit, un- 
parteiisch und ohne Bevorzugung, frei von jedem willkürlichen Einfluß und 
weder durch Schreckungen zu unterdrücken, noch durch Kunstgriffe zu täu- 
schen. Wie und in welcher Weise würde es sich haben machen lassen, daß 
die von allen Punkten des Erdkreises kommenden, alle Völker und alle 
Gegenden vertretenden Prälaten der Kirche, hier sicher anlangten, um mit 
Deiner Heiligkeit die wichtigsten Interessen zu berathen, wenn sie auf diesem 
Strande hier irgend einen Fürsten herrschen fänden, welcher entweder ihre 
Fürsten scheel umsähe oder von ihnen scheel angesehen würde wegen seiner 
Feindseligkeit? Wahrlich, es gibt Christenpflichten und es gibt Staatsbürger- 
pflichten, Pflichten, die sich keineswegs widerstreiten, aber doch von einander 
verschieden sind, wie sollten die Bischöfe sie erfüllen können, wenn nicht in 
Rom eine weltliche Souveränctät so wie eine päpstliche Souveränctät herrschte 
unabhängig von jedem Recht eines Andern und als Mittelpunkt der allge- 
meinen Eintracht, nicht trachtend nach irgend welcher menschlichen Ehre, nichts 
thuend für die irdische Herrschaft? Wir sind frei zum freiherrschenden Papste 
gekommen, als Hirten in der Sache der Kirche, als dem Wohle und den 
Interessen des Vaterlandes ergebene Bürger, weder unsere Hirten= noch 
unsere Bürgerpflichten versäumend. Weil es nun so ist, wer wollte es wagen, 
diese so alte, auf eine solche Autorität und durch eine solche Macht der That- 
sachen gestützte Souveränetät anzufechten? Welche andere Macht könnte ihr 
verglichen werden, wenn man selbst das menschliche Recht in Betracht zieht, 
auf dem die Sicherheit der Fürsten und die Sicherheit der Völker beruht? 
Welche Macht ist so ehrwürdig und heilig? Welche Monarchie oder welche 
Republik kann, in den vergangenen oder heutigen Jahrhunderten, so er- 
habener, so alter, so unverletzlicher Rechte sich rühmen? Wenn diese Rechte 
einmal und für dlesen heiligen Stuhl mißachtet und unter die Füße ge- 
treten würden, welcher Fürst wäre dann sicher, sein Königreich, welche Re- 
publik #ihr Land zu behalten? So, heiligster Vater, kämpfest und streitest Du 
gewiß für die Religion, aber auch für die Gerechtigkeit und für das Recht, 
die Grundlagen der menschlichen Dinge bei allen Nationen. Aber es kommt 
uns nicht zu, länger von dieser wichtigen Sache zu reden, die wir darüber 
Deine Worte und Deine Belehrungen vernommen haben. Deine Stimme 
hat in der That, der priesterlichen Trompete vergleichbar, in alle Welt ver- 
kündet, daß „durch einen besondern Rathschluß der göttlichen Vorsehung 
der römische Oberpriester, der durch Jesum Christum zum Haupt= und Mit- 
telpunkte seiner ganzen Kirche ernannt worden, eine weltliche Souveränetät 
erlangt hat (Litt, ap. 26. Mal 1860, Alloc. 20. Juni 1859, Encpcl. 9. Juni 
1860, Alloc. 17. Dezember 1860); wir müssen es also als gewiß annehmen, 
daß diese Sonverämetät nicht zufällig vom heiligen Stuhle erworben, son-
	        
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