Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

Deutschland. 29 
der Minister aber „durch sein Wort gebunden“ sei, und erklärt 
schließlich, daß das Gewerbegesetz nach Annahme dieses Antrags 
die höchste Sanction nicht erhalten werde. " 
44. Febr. (Preußen). Antwort Preußens auf die identischen Noten 
Oesterreichs und der Mittelstaaten vom 2. Febr. gegen die preußi- 
sche Bundesstaatsidee. Preußen lehnt es ab, in eine Erörterung 
der Gegenansichten einzugehen und ebenso, an einer Berathung über 
Reform des Bundes auf solchen Grundlagen, wie die identischen 
Noten beabsichtigen, Theil zu nehmen: 
„ . .. Dieser Schritt, welcher dadurch noch auffälliger wird, daß er ver- 
abredetermaßen in identischen Noten- gleichzeitig von mehreren Bundesregie- 
rungen gethan worden ist, entspricht so wenig dem Charakter des von der 
k. sächsischen Regierung eingeleiteten Meinungsaustausches über die von vielen 
Seiten als dringend nothwendig anerkannte Bundesresorm, daß die k. Ne- 
gierung sich nicht bewogen finden kann, danach noch auf irgend eine Erör- 
terung der in der Note des. Gesandten aufgestellten Gegenansichten ein- 
zugehen. Die Bedeutung der letzteren hat übrigens von Seiten Preußens 
bereits in einer früheren Zeit ihre entsprechende Würdigung gefunden. Es 
wird jedoch in Bezug auf die unheilvollen Folgen, welche ähnliche Bestre- 
bungen in jener Zeit über Deutschland heraufzubeschwören gedroht haben 
sollen, daran erinnert werden müssen, daß es nicht Preußens Bestrebungen 
für die Reform der Bundesverfassung waren, welche jene Folgen herbeizu- 
führen drohten, sondern daß es das Verhalten derjenigen Regierungen war, 
an deren Widerstand diese Bestrebungen damals scheiterten. Ihnen ver- 
dankt Deutschland die unveränderte Wiederherstellung der alten 
Bundesverfassung und damit einen dauernden Keim zu ähnli- 
chen Wirren. Wenn jetzt von derselben Seite durch die erwähnte Be- 
merkung der Note vom 2. Februar Anlaß dazu gegeben wird, daß diese 
Thatsache wieder in ihrem vollen Licht erscheint, und wenn man sich dabei 
auf die Sorge um die Sicherheit und den moralischen Frieden Deutschlands 
beruft, welche man durch Preußen bedroht finden will, so ist der Augenblick 
dafür um so wentiger glücklich gewählt, als man gleichzeitig gezwungen ist, 
das Reformbedürfniß einzugestehen, dessen rechtzeitige Befriedigung man schon 
einmal verhindert hat. Die k. Regierung würde in der Verwirklichung der 
am Schlusse der Note angedeuteten Reformansichten, wonach für den gan- 
zen Bund eine Verfassung mit wirksamer Executivgewalt, gemeinsamer 
Gesetzgebung und Volksvertretung begründet werden soll, und an welche sich 
leicht das Streben nach einer weltergehenden „politischen Consolidation“ mit 
außerdeutschen Gebieten schließen dürfte, wie dies in der Depesche des k. 
österreichischen Cabinets vom b. Nov. v. J. bereits hervorgetreten ist, eine 
weit größere Gefährdung des Bestandes des Bundes erkennen müssen, als in 
Reformen in derjenigen Richtung, welche Preußen in der Depesche vom 
20. Dec. v. J. bezeichnet hat. Dennoch ist die k. Regierung weit davon 
entfernt, schon der bloßen Kundgebung jener Ansichten über die Grundlagen 
der Reform mit einer Verwahrung entgegenzutreten. Sie glaubt im Ge- 
gentheil, ihr schließliches Urtheil darüber zurückhalten zu sollen, bis ihr ein 
bestimmt gestalteter Reformvorschlag mitgetheilt wird, welcher ihr das Ver- 
ständniß der Absichten der Regierung vollständig ermöglicht. Für jetzt 
erscheint der k. Reglerung die Unausführbarkeit einer Reform nach den vor- 
liegenden allgemeinen Andeutungen als unzweifelhaft, und da dieselben in 
vollkommenem Widerspruch mit dem Standpunkt stehen, zu welchem sie selbst 
sich bekennt, so muß sie ihrerseits den Eintritt in Berathungen über eine 
Reform auf solchen Grundlagen für unthunlich erachten“,
	        
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