Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

Deulschland. 31 
 
hat daher der getreue Landtag diejenige Stelle der höchsten Propositionsschrift 
begrüßt, welche die Berechtigung des Strebens nach einer, dem nationalen 
Bedürfnisse der Gegenwart wirklich entsprechenden Besserung der dermaligen 
Verfassung des gemeinsamen Vaterlandes anerkennt. Es hegt der getreue 
Landtag die sichere Zuversicht, daß Ew. k. Hoh., sobald es gelten wird, dem 
allgemeinen Wohle Opfer zu bringen, unter Deutschlands Fürsten in erster 
Reihe stehen werde. Nur die feste Zusammenfassung der gesammten deut- 
schen Streitkräfte in Einer Hand und eine ein heiltliche Vertretung dem 
Auslande gegenüber können der deutschen Nation die ihr gebührende Stel- 
lung unter den Völkern Europa's vollkommen erringen. Deshalb erheischt 
das nationale Bedürfniß der Gegenwart, die Schaffung einer Gewalt, 
welcher die militärische Führung und die diplomatische Vertretung nach außen 
allein zu übertragen sind. Ihre wahre Kraft und Lebensfähigkeit aber wird 
eine solche Gewalt nur erlangen, wenn sie gestützt wird durch den patrioti- 
schen Geist des deutschen Volks; daher tritt als das zweite gleich unerläß- 
liche Erforderniß die Schaffung einer gemeinschaftlichen Volks- 
vertretung, die Schaffung eines deutschen Parlaments her- 
vor. Der getreue Landtag erkennt es für seine Pflicht, dies allgemein ge- 
fühlte Bedürfniß mit bestimmten Worten vor Ew. k. Hoh. auszusprechen. 
Sollten für solche Zwecke von Ew. k. Hoh. jemals Anverlangen an den 
Landtag gestellt werden, so mögen höchstdieselben versichert sein, daß dem 
Lande kein Opfer zu schwer sein wird, sowie denn auch das feste Vertrauen, 
welches Ew. k. Hoh. auszusprechen gnädigst geruhten, vom Landtage sicher 
dann nicht getäuscht werden wird, wenn insbesondere Anforderungen für 
Schaffung einer Flotte zum Schutze deutscher Ehre und deutscher Inte- 
ressen an ihn gelangen sollten. Die Theilnahme, welche Ew. k. Hoh. in 
der höchsten Propositionsschrift diesen Bestrebungen auszudrücken gnädigst ge- 
ruhten, erkennen sicher alle Freunde dieser großen patriotischen Sache mit 
innigstem Danke an. Nicht minder drängt es aber den getreuen Landtag, 
Ew. k. Hoh. die vollste Uebereinstimmung mit dem Wunsche auszudrücken, 
daß da, wo das gestörte Recht nach Wiederherstellung verlangt, diese endlich 
erfolgen möge. Wie für Sühnung der unerhörten Schmach in Schleswig- 
Holstein, so haftet Deutschlands Ehre für Wiederherstellung des gebrochenen 
Verfassungsrechts in Kurhessen. Wohl sind Ew. k. Hoh. vorzugsweise 
berechtigt, jenen Wunsch und jenes Verlangen öffentlich auszusprechen; denn 
Ew. k. Hoh. Staatsregierung gehört zu den wenigen deutschen Regierungen, 
die dem gestörten Rechte den Schutz nie versagten. Es ist dem Landtag des 
Großherzogthums jetzt zum erstenmal Veranlassung gegeben, über einen 
Vorschritt der großh. Staatsreglerung, welcher noch in die Regierungszeit 
Hr. k. Hoh. des höchstsel. Großh. Karl Friedrich fällt, der aber erst in 
neuester Zeit wieder von Ew. k. Hoh. selbst bestätigt worden ist, sich aus- 
zusprechen. Als im Jahre 1852 über das Einschreiten in der kurhessischen 
Verfassungsangelegenheit bei der Bundesversammlung verhandelt wurde, war 
es die großh. Staatsregierung, welche fast allein für das Recht des hessischen 
Volks eintrat und die Aufrechthaltung der Verfassung von 1831, sowie die 
Einberufung einer Ständeversammlung nicht auf Grund eines einseitig er- 
lassenen, sondern nach Vorschrift des verfassungsmäßig bestehenden Wahl- 
gesetzes von 1849 verlangte. Der getreue Landtag ergreift gern noch jetzt 
die Gelegenheit, seine volle Anerkennung dieses Schritts und des seit jener 
Zeit fortwährend von Ew. k. Hoh. eingehaltenen Verfahrens unterthänigst 
auszudrücken. Möge der Tag nicht mehr fern sein, an welchem die Ver- 
fassung Deutschlands die Möglichkeit bietet, das gestörte Recht überall that- 
sächlich wiederherzustellen!“ 
Erklärung des Staatsministers v. Watzdorf vor dem Beginn der 
Debatte:
	        
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