Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

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— Deutschland. 
länger hinausgeschoben werden kann, ohne selbst bei einer ungewöhnlichen 
Anspannung der Volkskräfte die Macht, die Unabhängigkeit und die Exi— 
stenz des engeren preußischen, wie des weiteren deutschen Vaterlandes zu ge- 
fährden; 3) daß Se. Maj. der König in der Thronrede, und neuerlich meh- 
rere der einflußreichsten deutschen Regierungen in ihren Staatsschriften die 
völlige Umgestaltung der deutschen Bundesverfassung, wenn auch in sehr ver- 
schiedenem Sinne, als eine unumgängliche Nothwendigkeit ausgesprochen 
haben und daß sowohl der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, unter 
entschiedener Zurückweisung unberechtigter Einsprüche, wie die großh. badische 
Regierung in ausführlicherer Motivirung auf eine bundesstaatliche Organi- 
sation innerhalb des weiteren Bundes als die einzig mögliche und genü- 
gende Reform hingewiesen haben; 4) daß in der That nur die Herstellung 
einer einheitlichen Zentralgewalt zur Leitung der militärischen, 
diplomatischen und handelspolitischen Angelegenheiten in fest begrenzter Kom- 
petenz unter Mitwirkung einer deutschen Volksvertretung die Wahr- 
nehmung der gemeinschaftlichen Interessen der Nation bei voller Auf- 
rechthaltung der innern Selbstständigkeit der Einzelstaa- 
ten sichern kann; 5) daß aber eine solche Zentralregierung unter Theil- 
nahme der beiden deutschen Großmächte und ein Eingehen Oesterreichs auf 
eine bundesstaatliche Verfassung bei der unlöslichen Verbindung seiner deut- 
schen Provinzen mit außerdeutschen Ländern und bei seiner durch außer- 
deutsche Interessen bestimmten europäischen Stellung völlig unmöglich 
ist, während die politischen Interessen Preußens und der übrigen deutschen 
Länder durchaus zusammenfallen, und daß sogar die eigenen Interessen 
Oesterreichs die schleunige Konstituirung eines mächtigen deutschen Bundes- 
staates zur Stärkung seiner deutschen Elemente fordern, daß daher, bei aller 
Sympathie für die deutsch-österreichische Bevölkerung, mit Oesterreich nur 
das völkerrechtliche Bundesverhältniß gewahrt werden kann, und daß in dem 
die übrigen Staaten Deutschlands umfassenden Bundesstaate den realen 
Machtverhältnissen entsprechend nur die Krone Preußens in der Lage ist, 
die Zentralgewalt zu üben; 6) daß bei dem untrennbaren Zusammenhange 
einer nationalen und liberalen Politik die k. Staatsregierung nur durch 
ein rückhaltloses Eingehen auf das berechtigte Verlangen des deutschen 
Volkes und durch den gleichzeitigen freisinnigen Ausbau der preußischen 
Verfassung die zur Erreichung dieses großen Zieles nothwendigen Sym- 
pathien Deutschlands erwerben kann, daß gegnerischen Bestrebungen gegen- 
über ein entschiedenes Handeln unabweislich ist und daß die deutschen Lan- 
desvertretungen so berufen wie verpflichtet sind, für die nationale Einigung 
Deutschlands ihr politisches und moralisches Gewicht in die Wagschale zu werfen: 
beantragt der Ausschuß, das Haus der Abg. möge für nothwendig erklä- 
ren: 1) daß bei der dringend gebotenen Reform der deutschen Bundesverfassung 
zwischen dem österreichischen Bundesgebiete und dem übrigen Deutschland ein 
unlösliches Bundesverhältniß erhalten wird; 2) daß innerhalb dieses weiteren 
Bundes Preußen und die übrigen Staaten, unbeschadet ihrer inneren Selbst- 
ständigkeit, sich bezüglich der militärischen, diplomatischen und handelspoliti- 
schen Angelegenheiten zu einem engeren Bunde vereinigen, in welchem die 
Krone Preußen die einheitliche Bundesregierung führt und eine gemeinsame 
Nationalvertretung die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und die verfassungs- 
mäßige Kontrole über die Bundesregierung übt, 3) daß die k. Staatsre- 
gierung im vollen Bewußtsein ihres deutschen Berufs diese bundesstaatliche 
Organisation offen als das Ziel ihrer Politik hinstellt und zunächst durch 
Vereinbarungen mit den deutschen Staaten ihrer Verwirklichung entgegenzu- 
führen strebt". 
27. Febr. (Preußen). Der Regierungscommissär erklärt sich schließ- 
lich mit der von der Commission des Abg.-Hauses am 25. verein-
	        
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