Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dritter Jahrgang. 1862. (3)

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Deutschland. 
matischen Standpunkt stellen darf. Bei den Gegnern und namentlich bei 
manchen deutschen Regierungen wird sich Anstoß und Widerspruch doch nicht 
vermeiden lassen; sie werden der preußischen Regierung schon aus den Mög- 
lichkeiten, welche die Note v. 20. Dec. v. J. ausspricht und aus ihren spä- 
teren Erklärungen die Consequenzen ziehen, welche die beantragte Resolution 
als das Ziel der kundesstaatlichen Entwickelung hinstellt. Die Freunde 
Preußens in Deutschland erwarten und verlangen die offene Forderung, 
das unumwundene Aussprechen Preußens gegenüber dem früheren Ab- 
lehnen und Zögern. Das Haus der Abgeordneten hat keinen Grund 
zur Zurückhaltung in dieser Sache. Wenn sich die Landesvertretungen der 
deutschen Staaten mehr und mehr für das gleiche Ziel erklären, so wird 
das auch auf die Regierungen Einfluß üben und praktische Erfolge herbei- 
führen. 
 „ . Eine specielle Erörterung fand hinsichtlich des Bundestages statt, 
den die Commission in ihren Erwägungsgründen nicht blos als machtlos 
und ungenügend, sondern auch als nicht mehr zu Recht bestehend bezeichnet 
hat. Der Herr Minister der ausw. Angelegenheiten erklärte: man könne 
den Bundestag für wenig wünschenswerth erachten, seine Wiederherstellung 
bedauern, aber da alle Regierungen zu ihm zurückgekehrt, bestehe er rechtlich 
wieder; 1849 sei die Position eine andere gewesen, damals sei die Bundes- 
verfassung aufgehoben und eine andere zu vereinbaren gewesen; jetzt, nach- 
dem er 11 Jahre wieder bestanden, könne Preußen unmöglich das Recht des 
Bundestages bestreiten, sondern nur von dem Bundesrecht ausgehen. Die 
Mehrheit der Commission nimmt dagegen an, daß zwar der Bund von 1815 
selbst mit seinen Rechten und Pflichten fortbesteht und immer fortbestanden 
hat, daß aber der Bundestag durch das Gesetz vom 28. Juni 1848 end- 
gültig und für immer aufgehoben worden ist, wie das noch 1850 von meh- 
reren Regierungen und auch von Preußen selbst behauptet ward. Die völker- 
rechtlichen Bundespflichten sind ohne Zweifel nicht aufgehoben worden, müssen 
auch ferner von allen und gegen alle Staaten erfüllt werden. Aber die Be- 
rechtigung des Bundestages war zu Ende, und diese konnte nicht ohne Zu- 
stimmung der Landesvertretungen wiederhergestellt werden. Seit der einsei- 
tigen Reactivirung durch die Regierungen ist er nur als ein Gesandten-Con- 
greß mit völkerrechtlichen Befugnissen zu betrachten, konnte aber nicht in die 
Rechte und Befugnisse des alten Bundestages nach Innen wieder eintreten. 
Die Commission kann in Betreff des Verhaltens dem Bundestage gegenüber 
nur dem negativen Verfahren der k. Staatsregierung zustimmen, welches den 
Bund auf seine rein völkerrechtliche Grundlage, auf seine Bestimmung, die 
äußere Sicherheit der Bundesländer zu garantiren, einschränkt, keine Ueber- 
schreitungen seiner Competenz, keine Einmischung in innere Angelegenheiten 
zuläßt, alles Staatsrechtliche als ungehörige Auswüchse abschneidet. Die 
mittelstaatlichen Regierungen suchen Gesetze und Einrichtungen (wie Bun- 
desgericht, Civil= und Criminal-Proceß-Ordnung, Maß und Gewicht, Nach- 
druck= und Patentgesetze, Flotte und Küstenvertheidigung) an den Bund zu 
ziehen, zum Theil offenbar nicht um der Sache willen, sondern nur um 
Objecte zu haben, durch deren Behandlung Recht und Macht des Bundes 
erweitert, oder Bestrebungen Preußens durchkreuzt werden sollen, wie dieß 
Beispiels halber bei der vorgeschlagenen Organisation der Flotte und Küsten- 
vertheidigung klar hervortritt, da für diese wegen der bei Einführung neuer 
Lasten nothwendigen Stimmeneinheit schon um der holstein'schen Stimme 
Dänemarks willen jedes Resultat unmöglich ist. Diesen Bestrebungen ge- 
genüber muß ohne Zweifel, auch abgesehen von der Geringfügigkeit der zu 
erwartenden Erfolge, die Autonomie Preußens und das verfassungsmäßige 
Recht der Factoren seiner Gesetzgebung strenge gewahrt werden. Positiv in 
bundesstaatlicher Richtung vorgeschritten, ist Preußen bisher nur 
durch Vereinbarungen über einzelne Angelegenheiten, wie in den Verträgen
	        
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