Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierter Jahrgang. 1863. (4)

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BGeilage I. 
der Bundesversammlung in dieser Angelegenheit, gegen die sich bekanntlich 
schon zweifelnde und absprechende Stimmen erhoben haben. Hier sei nun 
zunächst soviel gewiß, daß die Bundesversammlung kein Gerichtshof sei, welcher 
mit bindender Kraft über Erbfolgestreitigkeiten zu entscheiden hätte; nur müsse 
man dabei wohl beachten, daß dieser Satz nicht etwa ausschließlich oder in 
besonderer Weise von der hohen Bundesversammlung gelte. Er gelte von jeder 
anderen europäischen Macht ganz genau ebenso wie vom deutschen Bunde. 
„Wenn in einem einzelnen unabhängigen Staat ein Streit über die Thronfolge 
entsteht, so sind die Staaten weder einzeln, noch im Verein berechtigt, über 
diesen Streit eine richterliche Entscheidung zu treffen, aber sie können sich ver- 
anlaßt sehen, sich darüber auszusprechen, welchen der verschiedenen Prätendenten 
sie anerkennen wollen, und welche Folge sie dieser Anerkennung geben wollen. 
Dabei ist es ihre Sache, ob sie sich bei ihrer Entschließung lediglich von ihrer 
rechtlichen Ueberzeugung oder auch ausschließlich von politischen Erwägungen 
leiten lassen. . Durch diese Sätze ist das Verhältniß des deutschen Bundes 
zu dem Streite über die Erbfolge in Schleswig jedenfalls im Allgemeinen 
auch geregelt und man wird dem Bunde in keiner Weise das Recht bestreiten 
können, sich darüber auszusprechen, wen er als Herzog von Schleswig aner- 
kennen wolle. . Anders gestaltet sich die Sache in Bezug auf Holstein. Hier 
tritt zu dem soeben erörterten allgemeinen Rechte noch die besondere Befugniß 
hinzu, welche jeder Genossenschaft zusteht, sich darüber klar zu werden und 
auszusprechen, welchen Fürsten sie als ihren Bundesgenossen zu betrachten 
habe, und diese Befugniß steigert sich zu einer unabweislichen Verpflichtung, 
wenn man erwägt, daß der Zweck des Bundes die Erhaltung der äußeren 
wie der inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unver- 
letzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten- ist. Daß dieser Bundeszweck bei 
jedem Streite über die Erbfolge in einem Bundesstaate wesentlich berührt 
wird und daß er bei dem jetzt schwebenden Streite über die Erbfolge in Hol- 
stein geradezu gefährdet erscheint, bedarf wohl keines weiteren Nachweises. 
Hieraus soll übrigens keineswegs gefolgert werden, daß um dieser Befugniß 
und Verpflichtung willen die Bundesversammlung, wenigstens für Bundes- 
lande, das oberste Tribunal zur Entscheidung von Erbfolgestreitigkeiten sei. 
Vielmehr ist vollständig anzuerkennen, daß, wenn in der Verfassung eines 
Bundesstaates eine Fürsorge irgend welcher Art für die Entscheidung von 
Erbstreitigkeiten getroffen ist, die Bundesversammlung dieser Entscheidung in 
keiner Weise vorzugreifen berechtigt wäre. Ebenso würde eine freiwillige Ver- 
einbarung aller Betheiligten von der Bundesversammlung anzuerkennen sein. 
Wo aber weder das Eine noch das Andere vorliegt, da tritt die Verpflichtung 
der eigenen Entschließung unmittelbar an die Bundesversammlung heran, und 
bei dieser muß sie sich von Gründen des Rechtes allein leiten lassen. Am 
allerwenigsten aber darf sie diese Entschließung ganz oder theilweise aus der 
Hand und fremder Einwirkung oder Entscheidung Preis geben. Die hohe 
Bundesversammlung kann sich daher einer Beschlußfassung darüber nicht länger 
entschlagen, welchen der beiden Prätendenten sie als legitimirt erachten und 
zur Stimmführung zulassen wolle. Man kann sogar zugeben, daß darin 
keine unabänderliche Entscheidung der Erbstreitigkeiten enthalten sein wird, 
und’ daß auf die Frage zurückzukommen wäre, wenn von irgend welcher Seite 
noch Beweise besseren Rechtes erbracht würden. Man kann dies um so leichter, 
je fester eben diese Ueberzeugung ist, daß diese Eventualität nicht eintreten kann. 
.. Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, daß man nicht sagen kann, die 
hohe Bundesversammlung verletze, wenn sie jetzt eine Entschließung fasse, 
den Grundsatz des rechtlichen Gehöres für alle streitenden Theile, daß man 
aber wohl sagen müsse, die hohe Bundesversammlung verzögere die Erfüllung 
ihrer obrigkeitlichen Pflichten, wenn sie ihre Entschließung länger aussetze.“ 
12. März. (Schleswig). Die Allirrten besetzen Scanderborg und Nar- 
huus in Jütland.
	        
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