Uebersicht der Ereignisse des Jahres 1803. 385
sah, noch vor dem Schlusse des Jahres die Fortsetzung jener Ver- Deutsc=
träge seinerseits, wie es gedroht hatte, zu kündigen. Jedermann hielt
indeß diese Kündigung bloß für formell, Niemand glaubte an eine wirk-
liche Auflösung des Zollvereins. Preußen wird auf die Ausschließung
Oesterreichs, Oesterreich auf den Beitritt zum Zellverein verzichten müssen,
so lange es nicht in der Lage ist, mit seiner schutzzöllnerischen Vergangen-
heit definitiv zu brechen und mit dem Zollvereine sich entschieden den
Grundsätzen des Freihandelsprincipes zuzuwenden.
Unendlich größere Schwierigkeiten bot die Bundesreformfrage. Von
einer Initiative Preußens konnte indeß in dieser Frage keine Rede mehr
sein. Durch die Schwächung, der Preußen in Folge seiner innern Zu-
stände anheim gegeben war, ermuthigt, hatten es die mittelstaatlichen Re-
gierungen schon im Jahre 1862 gewagt, ihrerseits hervorzutrelen und eine
Lösung der deutschen Frage in ihrem Sinne zu versuchen. Im Vereine
mit Oesterreich hatten sie am Bunde den Antrag auf Einberufung von
Delegirten der verschiedenen Ständeversammlungen gestellt, um über Ge-
setzesentwürfe betressend Civilproceß und Obligationenrecht zu berathen.
Der Antrag, selbst als bloßer Versuch, der einer weiteren Ausbildung
fähig sei, war in der That zu dürftig, um die öffentliche Meinung zu
gewinnen. Die Nation blieb kalt und die Bundesversammlung verwarf
am 22. Januar 1863 den Antrag mit 9 gegen 7 Stimmen, indem die
Regierung von Kurhessen, die ihn mit Oesterreich gestellt, für gut gefun-
den hatte, ihn schließlich mit Preußen zu verwerfen. Oesterreich und die
Mittelstaaten behielten sich indeß vor, unter günstigeren Umständen auf
den Antrag zurückzukommen. Wirklich fühlte sich Oesterreich bald stark
genug, die Frage in großartigerer Weise in die Hand zu nehmen.
Wenn Oesterreich nach dem italienischen Kriege am Rande des Ver= Her-
derbens stand, so muß man gestehen, daß sich sein sprichwörtliches Glück *
nur aufs neue bewährt hat, indem es auf der Unterlage einer der Man-
nigfaltigkeit seiner Länder und Völker wie dem Grade ihrer politischen
Bildung entsprechenden Verfassung sich wieder emporzurichten versucht hatte.
Läßt sich auch nicht verkennen, daß die verfassungsmäßigen Zustände Oester-
reichs noch sehr mangelhaft, das politische Leben noch immer ein äußerst
beschränktes ist, und der Bestand der Verfassung selbst vielleicht nur da-
durch garantirt erscheint, daß jeder Rückschritt in dieser Beziehung Oester-
reich auch sofort wieder an den Rand des finanziellen Abgrundes stellen
würde, so war doch eine Grundlage gewonnen, die Oesterreich nicht bloß
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