90 Deutschland.
Nachdem die hohe Bundesversammlung ohnerachtet des von dem. Ge-
sandten im Namen seiner allerhöchsten Regierung gegen jede geschäftliche Be-
dandlung des österreichischen Antrages eingelegten Protestes zu einer dem
entgegstehenden Beschlußfassung geschritten ist, so hat der Gesandte nunmehr
die ernste Pflicht zu erfüllen, hoher Versammlung diejenigen Entschließungen
kundzugeben, zu welchen, gegenüber der soeben erfolgten Beschlußfassung, des
Gesandten allerh. Regierung in Wahrung der Rechte und Interessen der preu-
ßischen Monarchie und ihrer Stellung in Deutschland zu schreiten für geboten
erachtet. Der Akt der Einbringung des von der kais. österreichischen Regie-
rung gestellten Antrages an sich selbst steht nach der festen Ueberzeugung des
königl. Gouvernements zweifellos mit der Bundesverfassung in offenbarem
Widerspruch und muß daher von Preußen als ein Bruch des Bundes ange-
sehen werden. Das Bundesrecht kennt Bundesgliedern gegenüber nur ein
Erecutionsverfahren, für welches bestimmte Formen und Voraussetzungen
vorgeschrieben sind; die Aufstellung eines Bundesheeres gegen ein Bundes-
glied auf Grund der Bundeskriegsverfassung ist dieser ebenso fremd, wie jedes
Einschreiten der Bundesversammlung gegen eine Bundesregierung außerhalb
der Normen des Executionsverfahrens. Insbesondere aber steht die Stellung
Oesterreichs in Holstein nicht unter dem Schutze der Bundesverträge, und
Se. Maj. der Kaiser von Oesterreich kann nicht als Mitglied des Bundes
für das Herzogthum Holstein betrachtet werden. Aus diesen Gründen hat
die k. Regierung davon Abstand genommen, irgendwie auf die materielle
Motivirung des Antrages einzugehen, für welchen Fall es ihr eine leichte
Aufgabe gewesen sein würde, den gegen Preußen gerichteten Vorwurf des
Friedenbruches zurückzuweisen und denselben gegen Oesterreich zu richten.
Dem k. Cabinet erschien vielmehr als das allein rechtlich gebotene und zuläs-
sige Verfahren, daß der Antrag wegen seines widerrechtlichen Characters von
vornherein Seitens der Bundesversammlung abgewiesen werden mußte. Daß
diesem ihrem bestimmten Verlangen von ihren Bundesgenossen nicht entspro-
chen worden ist, kann die k. Regierung im Hinblick auf das bisherige Bun-
desverhältniß nur aufs Tiefste beklagen. Nachdem das Vertrauen Preußens
auf den Schutz, welchen der Bund jedem seiner Mitglieder verbürgt hat, durch
den Umstand tief erschüttert worden war, daß das mächtigste Glied des Bun-
des seit 3 Monaten im Widerspruch mit den Bundesgrundgesetzen zum Be-
hufe der Selbsthilfe gegen Preußen gerüstet hat, die Berufungen der k. Re-
gierung aber an die Wirksamkeit des Bundes und seiner Mitglieder zum
Schutze Preußens gegen willkürlichen Angriff Oesterreichs nur Rüstungen
anderer Bundesglieder ohne Ausklärung über den Zweck derselben zur Folge
gehabt haben, mußte die k. Regierung die äußere und innere Sicherheit,
welche nach Art. II der Bundesacte der Hauptzweck des Bundes ist, bereits
als in hohem Grade gefährdet erkennen. Diese ihre Auffassung hat der ver-
tragswidrige Antrag Oesterreichs und die eingehende, ohne Zweisel auf Verab-
redung beruhende Aufnahme desselben durch einen Theil ihrer bisherigen
Bundesgenossen nur noch bestätigen und erhöhen können. Durch die nach
dem Bundesrechte unmögliche Kriegserklärung gegen ein Bundesglied, welche
durch den Antrag Oesterreichs und das Votum derjenigen Regierungen,
welche ihm beigetreten sind, erfolgt ist, sieht das kgl. Cabinet den Bundesbruch
als vollzogen an. Im Namen und auf allerh. Befehl Sr. Maj. des Königs,
seines allergnädigsten Herrn, erklärt der Gesandte daher hiermit, daß Preu-
ßen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deßhalb nicht mehr ver-
bindlich ansieht, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln
wird. Indeß will Se. Maj. der König mit dem Erlöschen des bisherigen
Bundes nicht zugleich die nationalen Grundlagen, auf denen der Bund auf-
erbaut gewesen, als zerstört betrachten. Preußen hält vielmehr an diesen
Grundlagen und an der über die vorübergehenden Formen erhabenen Einheit
der deutschen Natson fest und fieht es als eine unabweisliche Pflicht der deut-