Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebenter Jahrgang. 1866. (7)

                                  Deutschland.                                               95 
werden. Was den Antrag unter 2 betrifft, so ist die sächsische Regierung 
emeint, auf die baldige Einberufung des deutschen Parlaments mit allem 
achdruck hinzuwirken; sie wird aber solches, den Anträgen ihrer Kammern 
gemäß, in der Weise thun, daß ein Parlament für ganz Deutschland gewählt 
werde, und sie geht davon aus, daß die Ausschreibung der Wahlen nicht von 
einer einzelnen Regierung zu erfolgen habe. Sollte unter diesen Umständen 
die Regierung Sr. Maj. des Königs von Preußen in der Ablehnung des 
vorgeschlagenen Bündnisses wirklich einen Grund erkennen, das Königreich 
Sachsen im Kriegszustand gegen Preußen befindlich zu betrachten und diesem 
Verhältnisse entsprechend zu handeln, so bliebe der königlichen Regierung nichts 
übrig, als gegen ein solches Vorgehen mit Bezugnahme auf die Grundgesetze 
des Bundes laut und entschieden zu protestiren, und die Abwehr des Bundes 
anzurufen. . ..“ 
Die gesammte Eisenbahn-, Post- und Telegraphenverbindung wird 
auf Befehl der Regierung sistirt. Die Eisenbahnbrücke bei Riesa 
wird verbrannt, die Brücke bei Löbau zerstört. Die ganze sächsische 
Armee beginnt ihren Abmarsch an die böhmische Grenze. 
15. Juni. (Hannover). Die preußische Sommation ist folgender- 
maßen motivirt: · 
„. .. Die geographische Lage des Königreichs Hannover macht dasselbe zu 
einem wichtigen Moment in dem System dieser Vertheidigung. Die kgl. han- 
noversche Regierung wird es daher gerechtfertigt finden, wenn in der Spannung der 
gegenwärtigen Situation Deutschlands, welche durch den bundeswidrigen Antrag 
Oesterreichs vom 11. c. gekennzeichnet wird, Preußen von ihr bestimmte 
Erklärungen und Bürgschaften über die zukünftige gegenseitige Stellung zu 
erbitten sich genöthigt sieht." Dem Verlangen wird beigefügt: „Sollte wider 
Erwarten eine ablehnende oder ausweichende Antwort erfolgen, so würde 
Se. Majestät der König Sich zu Seinem lebhaften Bedauern in die Noth- 
wendigkeit versetzt finden, das Königreich als im Kriegszustand gegen Preußen 
befindlich zu betrachten und demgemäß in Seinen Beziehungen zu demselben 
nur noch die Rücksichten auf den Schutz des eigenen Landes und das mili- 
tärische Erforderniß maßgebend sein zu lassen." 
Ablehnende Antwort Hannovers: „.. Der in der Sitzung des 
Bundestages vom 11. d. Mts. gestellte Antrag ist — wie der Unterzeichnete 
zunächst zu bemerken sich beehrt — in der Sitzung vom 14. d. Mts. mit 
solchen Modificationen angenommen, daß in dem gefaßten Beschluß eine Feind- 
seligkeit gegen Preußen nicht gesunden werden kann. Die kgl. hannoversche 
Regierung insbesondere hat in ihrer Abstimmung und in deren Begründung, 
welche der k. preußischen Regierung vollkommen bekannt sind, auf das sorg- 
sältigste den bundesmäßigen Standpunkt strengster Parteilosigkeit sestgehalen. 
Sie hat gegen die Mobilisirung der drei kaiserlich österreichischen Armeecorps 
gestimmt, um dem Bund seine vollkommen objektive Stelkung zwischen den 
beiden streitenden Mächten zu wahren; sie hat ferner demjenigen Theil des 
Antrages nicht zugestimmt, welcher auf die, den Bestimmungen über den 
Bundeskrieg entnommenen Maßregeln abzielte, und hat endlich die Vermitt- 
lung als den Endzweck aller Beschlüsse der Bund esversammlung auedrücklich 
festgestellt. Sie hat aber freilich auf der anderen Seite die vor den Augen 
der Welt offen daliegende Thatsache nicht verkennen können, daß die innere 
Ruhe und Sicherheit des Bundes bedroht sei und hat sich ebensowenig den 
bundesmäßigen Pflichten entziehen können, den zum Schutze dieser Ruhe und 
Sicherheit erforderlichen Beschlüssen zuzustimmen. Wenn die k. hannoversche 
Regierung hiernach sich bewußt ist, nach genauester Erwägung und gewissen- 
haftester Prüfung der thatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ihren Pflichten 
als Mitglied des deutschen Bundes gemäß gehandelt zu haben, wenn sie zu- 
gleich die Anerkennung glanbt beanspruchen zu können, die Wahrung des
	        
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